Gonzales & Friends: "Love is all"
Los geht's mit meiner wohl meistgehörten Nummer des Monats: Für den arte-Sommerschwerpunkt "Summer of the 70's" nahm Elektro- und Kitsch-Kapazunder Gonzales mit MusikerInnen wie Nina Hagen, Dirk von Lowtzow oder Mathieu Boogaerts den alten Roger Glover-Song "Love is all" auf. Das dazugehörige superartetypische Video ist wöchentlich on air und außerdem downloadbar. - Kinder der 70er, die sich vage an einen Gitarre spielenden Zeichentrick-Frosch erinnern mögen: Hier zum Vergleich das rockigere Original aus dem Jahr 1974 und sein mittlerweile legendäres Video.

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arte: Summer of the 70's

Foto: arte

Pop Levi: "Never Never Love"
Manisch mag man eben, und trotzdem läuft Pop Levi vorerst immer noch unter Geheimtipp. Auf seinem zweiten Album schürft der Londoner einmal mehr im Glamrock  ("Wannamama"!), wandelt zugleich aber auch auf den Spuren von Prince. Das ergibt eine ziemlich spektakuläre Mischung aus Percussions, die den Herzschlag ins Stolpern bringen, sowie Gitarren und/oder Synthesizern wie im R'n'B-Rock-Crossover "Never Never Love" oder in der funkigen Single "Dita Dimoné". Und manchmal ("Mai's Space", "Love you straight") wird's auch ganz schön cheesy. Dreizehnmal schräg geschmachtet von einem, der für seine Liebste zum Gorilla werden möchte. (Ninja Tune/Hoanzl)

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Pop Levi

Coverfoto: Ninja Tune

Alexander Marcus: "Electrolore"
Das also polarisiert Musik-Deutschland - das neuste hippe Szene-Ding für die einen, die Apotheose des Zynismus für die anderen: Alexander Marcus, Alter Ego des House-Produzenten Felix Rennefeld. Die Vermählung von Elektro-Pop und Schlager ist keineswegs neu, siehe etwa Markus (yeah!) oder Fräulein Menke (igitt!) zur NDW-Zeit oder auch die vielgeliebte Blümchen im Eurotechno der 90er. Alexander Marcus treibt die Fusion auf eine schmierige Spitze, singt über "Toni den Rodelkönig" oder die paradiesische Insel "Papaya" und streut dabei denkwürdige Zeilen wie Sei kein Frosch, kleine Maus oder Das ist dein Ehrentag, lieber Jubilar ein. Zusammen mit den ungemütlich wirkenden Billig-Videos ergibt das ein auf jeden Fall konsequent durchgezogenes Ding, das einen fasziniert und anwidert zugleich.
(Kontor Records/Edel)

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Alexander Marcus

Coverfoto: Kontor Records

Ben Weaver: "The Ax in The Oak"
Tierisch nicht nur das Cover von Ben Weavers sechstem Album, auch in den Songs tummelt sich so einiges an Eulen, Bären, Füchsen und Alligatoren. Und grausig gutzt der Golz - pardon: und schaurig schummert die Orgel. Trotzdem lässt "The Ax in The Oak" nicht wirklich pastorale Stimmung aufkommen - entstanden ist es auch nicht in Weavers heimatlichem Minnesota, sondern in Berlin. Zu recht klassisch gehaltenen Folk-Nummern wie "Anything With Words" gesellen sich in der zweiten Albumhälfte zunehmend solche mit dezent eingebauten Klickbeats, allesamt Transportvehikel für Weavers dunklen Bariton. Zentrales Stück und Anspieltipp: das wunderschöne "Hawks and Crows". (Glitterhouse/Hoanzl)

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Ben Weaver

Coverfoto: Glitterhouse

Subtle: "ExitingARM"
Die nicht unbedingt auf der Hand liegende Verbindung von waberndem Prog-Rock und HipHop bzw. Electro schweißen Subtle aus dem kalifornischen Oakland nun schon zum wiederholten Male zusammen.  Überwiegt letzteres, springen so mitreißende Stücke wie "Unlikely Rock Shock" oder "The No" dabei heraus.  Überwiegt ersteres, zerfasert der Sound dann doch etwas.  Inhaltlich kommt "ExitingARM" einem Strindbergschen Traumspiel nahe, und die eigens zum neuen Album eingerichtete Website ist adäquat surreal gestaltet. Abschließendes Album-Highlight: das gespenstisch schöne "Providence".  Grenzen sprengende, große Band! (Lex Records)

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Subtle: ExitingARM

Coverfoto: Lex Records

Paula: "So wie jetzt"
Ich möchte zurück an den Anfang: Als Elke Brauweiler und Berend Intelmann 2005 nach fünf Jahren Elektropop für "Ruhig Blut" unvermutet auf Gitarrensound umstiegen, verkündete Elke dem verdutzten Konzertpublikum, dass es sich schon noch an die neuen Paula gewöhnen würde. Stattdessen machen sie nun die 180-Grad-Wende: "So wie jetzt" baut ganz auf knochentrockene Beats und euphorisierende Melodieführung aus - sei es im Titelstück oder den beiden Coverversionen "C'est Comme Ca" von Rita Mitsouko (Elke wie gehabt frankophil) und ... nanu! ... "On the Road Again" von Canned Heat. Nach acht Jahren haben Paula immer noch die Fähigkeit zum Ohrwurm. Wer sie bisher nicht mochte, wird's auch jetzt nicht tun - ich leg mir für den Herbst schon mal meinen alten Paulapulli zurecht. (Exzess Berlin/Edel)

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Paula

Coverfoto: Exzess Berlin

Björn Kleinhenz: "Quietly Happy And Deep Inside"
Wieder einmal mag Björn Kleinhenz sein hübsches Gesicht auch im Booklet nicht zeigen. Man könnte auf ein total uneitles Gemüt schließen, wäre ich nicht einmal Zeuge seiner Konzertvorbereitungen - "Sitzt meine Frisur auch richtig!!?!" - geworden.  Und wie gewohnt vermählen sich schwedischer und gefakter Kaugummi-Akzent aufs schönste, wenn Björn seine Countrypopsongs vom Ausbrechen und Heimkehren singt. In Sachen Americana-beeinflusster Balladen kann er das famose Album Florian Horwaths heuer zwar nicht schlagen -  Uptempo-Songs wie "The Quest for your Heart" oder "Poets Dying" peppen die Mischung aber kräftig auf. (Devilduck/Hoanzl)

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Björn Kleinhenz

Coverfoto: Devilduck

Klee: "Berge versetzen"
Glücksstaubsound wurde die spezielle Note von Klee mal in der SPEX genannt - da hätte ich zu gerne das Copyright drauf, denn das beschreibt's wirklich am besten. Nüchterner ausgedrückt pflegt das Kölner Kleeblatt um Königin Suzie Kerstgens - längst  vom ursprünglichen Trio zum Quintett erweitert - eine geglättete Variante von New Order oder The Cure in deren Schmusehit-Phasen, bereichert diesmal um edelkitschige Streicher- arrangements. Und über allem schwebt wie eh und je - *seufz* - Suzies unnachahmlich sehnsüchtige Stimme. Zu hören neben der Single mit dem metrisch missratenen Refrain "Zwei Herzen" am besten in "Wie weit" und dem endlich einmal wieder vollelektronischen "Die Königin".  (Universal)

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Klee

Coverfoto: Universal

Die Türen: "Booty"
Die Berliner Türen versuchen's mit dem Überschmäh: Die Konsumkultur nicht mehr zu kommentieren oder zu karikieren, sondern sie aufzufressen. Das Booklet von "Booty" ist als Reklamepostwurfsendung gestaltet (Firmen konnten darauf Anzeigen schalten!), die CD selbst enthält recyceltes Altmaterial vom Vorjahresalbum "Popo": Song-Remixes von Elektronik-Promis wie Mense Reents, Erobique oder  - huch, da ist er wieder! - Alexander Marcus. Plus das rockig herausstechende "Amore Mio", das durch die Hände Bobby Conns gegangen ist. Ein Fall von maximaler Wertschöpfung. (Staatsakt/Hoanzl)

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Die Türen

Coverfoto: Staatsakt

Mates of State: "Re-Arrange Us"
Mein liebstes Pop-Ehepaar neben Dean Wareham und Britta Phillips - in der direkten Gegenüberstellung natürlich das ungleich quirligere Paar. Das gilt auch noch, nachdem Kori und Jason ihren auf Keyboard und Percussions basierenden Grundsound deutlich verbreitert haben und für ihre Verhältnisse recht nachdenklich geworden sind; mehr dazu hier.  Und apropos quirlig: die neue Cyndi Lauper-CD hab ich leider nicht mehr rechtzeitig für diese Monatsrundschau erwischt - also werd ich sie mit in den Urlaub nehmen. Mehr dazu dann beim nächsten Mal. (Barsuk Records)

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Mates of State

Coverfoto: Barsuk