Joan Wasser gastiert als Joan As Police Woman am Sonntag im Wiener WUK. Kaum jemand hat zuletzt bessere Balladenalben veröffentlicht als diese Frau.

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Wien - Die Welt braucht mehr Geheimnisse! In Zeiten, in denen die allwissende Müllhalde Internet mit ihren Bewohnern Wikipedia und Google scheinbar alle Informationen zugänglich macht, kehrt sich die Idee der Ökonomie der Aufmerksamkeit um. Längst gilt, dass jene, die sich diesen Zugriffen entziehen, spannender wirken als der Huber-Bauer und sein Hinweis auf seine bodennahe Hühnerzucht auf MySpace.

Joan Wasser mystifiziert sich, indem sie sich ein seltsames Alias gibt: Joan As Police Woman nennt sich die aus dem US-Bundesstaat Connecticut stammende Songwriterin, die 2006 mit ihrem Debüt Real Life eines der eindrücklichsten Statements des Blue-Eyed-Soul der Nullerjahre ablieferte. Mit elegischen Balladen, denen sie mit ihren nonchalant hingehauchten Lyrics Mehrwert bis hin zur Gänsehaut verlieh, nahm sie, in der Tradition einer Dusty Springfield, ihr Publikum in sanftem Sturm.

Immerhin stand Wasser in Diensten eines Giganten des sanften Sturms, nämlich Antony Hegarty, dem New Yorker Tragöden von Antony & The Johnsons. Dazu spielte sie in der Live-Band von Rufus Wainwright, der auf ihrem heuer erschienenen, zweiten Album To Survive auftaucht und mit ihr den Song To America singt. Ein weiterer prominenter Gast ist David Sylvian.

Auch persönliche Tragödien kennt die klassisch ausgebildete Violinistin. 1997 ertrank ihr Freund Jeff Buckley, Sohn von Tim Buckley (noch so ein Tragöde!) und einer der begnadetsten Songwriter der 90er-Jahre, in Memphis, Tennessee.

Ihre Solokarriere begann sie nach diversen Mitgliedschaften in anderen Bands, etwa den aus Boston stammenden Dambuilders oder bei Those Bastard Souls mit Dave Shouse von der in den 90ern hauptsächlich in den USA bekannten gewordenen Band The Grifters.

Auf To Survive schlurft Wasser wie eine Diva aus einem Film noir durch ihre Songs und bläst da und dort akustische Rauchringe in die Luft. Dazu wippt sie zu einem meist lässig abgefederten Beat, lässt durch Hörner atmen, entlockt ihrem Keyboard Soul oder zergeht in bitteren Balladen wie To Be Lonely. Live geriet das bei ihrem Wiendebüt 2006 zu einer eindringlichen und mitreißenden Show, bei der sie im Trio zwischen Keyboard und Gitarre wechselte und sich als überzeugende, verdammt coole Interpretin erwies, die gerne auch einmal harschere Töne anschlägt. Etwas, das sie sich auf ihren atmosphärischen Alben kaum erlaubt.

Joan Wasser mag nicht so vermarktbar sein wie andere zeitgenössische Soul-Sängerinnen, möglicherweise ist sie aber die bessere. (Karl Fluch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 7. 2008)