Belgrad - Der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic soll nach Angaben aus Kreisen der Sicherheitsbehörden ohne Aufsehen an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt werden. Es gebe Dutzende Möglichkeiten, den mutmaßlichen Kriegsverbrecher an den Medien und seinen Anhängern vorbei außer Landes zu schaffen, hieß es in den Kreisen am Montag. "Nur zehn Menschen in Serbien wissen genau, was geschehen wird", sagte ein ranghoher Regierungsvertreter. Die Auslieferung werde so diskret wie möglich über die Bühne gehen.

Die neue Regierung will den vorige Woche verhafteten Karadzic so schnell wie möglich ausliefern. Er kann dem Tribunal aber erst überstellt werden, wenn über seinen Antrag auf Nichtauslieferung entschieden ist. Dieser Antrag lag dem zuständigen Belgrader Gericht nach Angaben einer Sprecherin am Montag nicht vor. Regierungsvertreter haben bereits deutlich gemacht, dass Karadzics Forderung seine Auslieferung nur verzögern, aber nicht verhindern könne.

Davon geht inzwischen auch sein Anwalt Svetozar Vujacic aus. Die Regierung wolle seinen Mandanten vor einer für Dienstag geplanten Demonstration von Karadzic-Anhängern überstellen. Karadzics Bruder Luka schaffte bereits einen hellen und einen dunklen Anzug ins Gefängnis. "Er braucht sie in Den Haag. Er wird ohne Zweifel nach Den Haag gebracht werden, die Frage ist nur wann", sagte Vujacic.

Karadzic wird für den Mord an 8.000 bosnischen Muslimen (Bosniaken) in Srebrenica im Juli 1995 und die 43 Monate dauernde Belagerung von Sarajevo (1992-95), bei der mehr als 10.000 Menschen ums Leben kamen, verantwortlich gemacht. (APA/Reuters)