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Der bulgarische "Show-Archäologe" Georgi Kitow mit einer der wertvollen goldenen Königsmasken. Darunter ein weiteres Fundstück: ein goldener Pferdewagen aus der Zeit der Thrakier.

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Es ist Sommerzeit, und in Bulgarien herrscht wieder einmal Goldfieber. Jeden Abend vermeldet das Fernsehen einen neuen Fund: goldene Ringe, Opferbecher, prächtige Mosaiken. Ende Juni erregten zwei prominente Archäologen besondere Aufmerksamkeit: Nikolaj Owtscharow, weil er den goldenen Ringstempel eines Fürsten aus dem 13. Jahrhundert gefunden hatte, und sein Kollege Georgi Kitow, der auf einen wertvollen Schmuck aus der Römerzeit gestoßen war.

Bulgarien, am Kreuzweg zwischen Asien und Europa gelegen, gilt seit langem als reiche Fundstätte für Archäologen. Griechen, Römern, Perser, Türken und Byzantiner haben hier ihre Spuren hinterlassen. Die ältesten Fundstücke sind über 6000 Jahre alt. Als ergiebigste Ausgrabungsstätte gilt derzeit das Gebiet rund um die Stadt Kardjali im Südosten des Landes, wo ein thrakischer Stamm seinen Kult um Dionysos, den Gott des Weines und der Freude, pflegte.

Die Ausgrabungsstätte ist Teil des Perperikon, einer gebirgigen Gegend, die einst die Heimat der Thrakier war. Im Jahr 2000 nahm Owtscharow hier die Ausgrabungen auf. Der Name des Archäologen ist seither eng mit den Arbeiten im Perperikon verbunden, er selbst ernannte sich sogar zum bulgarischen Indiana Jones.

Sein Kollege Georgi Kitow entdeckte erst im vergangenen Jahr zwei große thrakische Grabstätten in der Region um Sliwen. Gefunden wurde dort neben Kelchen, Schalen und verziertem Pferdegeschirr eine glänzende Königsmaske, die bereits zweite ihrer Art.
Noch zu Zeiten des Kommunismus verstanden Historiker und Archäologen die Fundstücke als Markenzeichen für Bulgarien zu verwenden. Goldene Schätze, besonders aus der thrakischen Zeit, füllen seither die Museen des Landes und repräsentieren die bulgarische Kultur bei internationalen Ausstellungen.

Aber erst mit der Wende wurde Archäologie in Bulgarien, wo insgesamt mehr als 25.000 über das ganze Land verstreute thrakische Grabhügel vermutet werden, zu einem lukrativen Geschäft.  Die Fundstätten wurden auch zu einem Anziehungspunkt für Grabräuber, die die wertvollen Gegenstände ins Ausland schmuggelten oder mit ihnen die bulgarischen "Kunstverehrer" versorgten.

Archäologen dagegen, die sich mit mühsamen Recherchen und Dokumentationen beschäftigten, blieben abseits der Scheinwerfer und der öffentlichen Aufmerksamkeit. Steine, Knochen und einfache Keramik gelten eben als wenig spektakulär. Daher finden all jene, die nicht nach Gold suchen, auch kaum Sponsoren für ihre Ausgrabungen.

"Als Maßstab für die archäologische Arbeit in Bulgarien gelten nur die Menge und der Wert der Funde" , klagt Ludmil Wagalinski vom Archäologischen Institut der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia. Dabei sollte es doch eigentlich darum gehen, durch interdisziplinäre Methoden zu erkennen, was sich geschichtlich tatsächlich abgespielt hat, sagt er. Problematisch sind für Wagalinski vor allem die Arbeitsmethoden der "Show-Archäologen": Sie arbeiten mit Baggern und Bulldozern, um rasch ans Ziel zu gelangen. "Dabei vernachlässigen sie aber, dass jede Schicht Erde einmalige Informationen enthalten kann" , sagt der Wissenschafter.

Ludmil Wagalinski spricht auch von einem Ausverkauf der archäologischen Wissenschaft an die öffentlichen Erwartungen. Zudem werde mit den archäologischen Funden inzwischen auch politisches Kapital gemacht. Kein Wunder, reicht es doch, wenn der Bagger zwei-, dreimal schaufelt, und der Nationalstolz wird geweckt. (Diljana Lambreva aus Sofia/DER STANDARD, Printausgabe, 29.7.2008)