Bild nicht mehr verfügbar.

Vom Komtur im Duell mit einem Bauchschuss verletzt, von Leporello (Erwin Schrott) mit einer Spritze aufgeputscht: Don Giovanni (Christopher Maltman) im Erdreich.

Foto: APA

Salzburg - Von den ersten abwärts rollenden Noten an ist dieser Inbegriff des Erotomanen seit jeher in der Todeszone und auf dem Weg zu ihrem Epizentrum. Von Beginn an lässt Mozart an Giovannis Pech und Ende keinen Zweifel.

So konkret wie nun im Haus für Mozart allerdings wurde der Grund für Don Giovannis letales Finale noch nie erklärt. Die Ausgangsidee ist nicht zu übersehen: Schon zur Ouvertüre geht in der Bühnenschwärze ein Kreis auf, der zeigt, wie auf des Komturs zornigen Schädel Holz kracht, das aber womöglich nicht sein Leben beendet. Dazu am Schluss mehr - Donna Annas Vater jedenfalls lebt, hat eine Pistole, mit der er Giovanni eine Bauchwunde zufügt. Und der Schuss sitzt.

Wie dann also das Gegrapsche losgeht, ist klar - der Verführer macht es nicht mehr lange. Sich dessen bewusst, wird Don Giovanni auch hier nicht zum Bereuenden. Die letzten Stunden wollen genutzt sein, die Essenz einer ruhelosen Existenz noch einmal zu simulieren, Giovannis Lebensbuch ein letztes Kapitel hinzuzufügen. Die Verdichtung, die sich im immerfort drehenden Wald durch die gefühlte verrinnende Lebenszeit Giovannis einstellt, rührt hier jedoch nicht von einer rasanten Jagd nach Röcken her.

Bei Claus Guth mutiert das Ganze zu einem Seelenkrimi des Siechtums. Der Jäger wird zur gejagten wunden Kreatur, Don Giovanni ist nicht der offensive Testosteronkönig, eher ein Verzweifelter, der sich an einen Lebensstil klammert. Nichts geht mehr. Giovanni bleiben nur noch Gesten der Sehnsucht nach einer Existenz, die ihm als Endlosschleife der Liebschaften sinnhaft erscheint.

Es sind dann die Damen, die den aggressiven Part übernehmen. Donna Anna (Annette Dasch kann ihre vokale Unsicherheit selten ablegen) geht Giovanni an die Wäsche, als gelte es, einen Notstand zu beseitigen. Der Racheauftrag an Don Ottavio (sehr kultiviert Matthew Polenzani) ist nur eine ablenkende Beschäftigungstherapie für den Verlobten, um ihrem Begehren ungestört doch noch Erfüllung zu sichern. Immer kommt natürlich was dazwischen. Vor allem die Wunde und das aus ihr rinnende Blut.

Blutherz auf der Scheibe

So wirkt Giovanni wie ein zerrütteter Junkie, der sich von Leporello einen Schuss verpassen lässt, wirkt wie ein Vorstadtgigolo, der ein karges Picknick als Fete inszeniert, bei der der Schampus aus Dosen kommt. Christopher Maltman ist da ein zerbrechlicher, liedhafter Tragöde, der in jeder horizontalen Spielvariante versucht, Guths Konzept umzusetzen.

Einmal malt er auf ein Auto für die drinnen rauchende Donna Anna mit Blut ein Herz auf die Windschutzscheibe. Dann wieder liegt er erschöpft unter Zerlina (vokal sehr schwach Ekaterina Siurina). Später, beim nächsten Stelldichein wird Zerlina um Hilfe schreien. Blutüberströmt ist ihr Hochzeitskleid, Giovannis Wunde hatte sich geöffnet. Da passt Guths Ideengebilde ganz gut zum Text, gibt ihm doch eine neue Bedeutung. Überhaupt: Ein gewisser Reiz dieser psychologisch klugen Inszenierung rührt von der "Kommunikation" zwischen Szene und Text her.

Gerade, da sich das Düstere des Waldes mit dem Libretto schlägt, erwächst aus dem Kontrast zwischen Gesungenem und dem Tatsächlichen der Szene eine Art Giovanni-Halluzination, was dem Ganzen etwas Surreales verleiht. Man hätte das stärker betonen, Giovannis Finale als vom Rauschgift gedopten Wahn umsetzen können. Das Ganze erschlafft allerdings nach der Pause zu einer Art Tatortkrimi, der nicht vom Fleck kommt und mit einem flachen Schluss beschenkt. Der Komtur (solide Anatoli Kotscherga) taucht wieder auf, gräbt Giovanni ein Grab, der plumpst hinein. Schluss.

Mangel an Energie

Der Mangel an Energie hängt auch von der musikalischen Seite ab. Die Arbeit der Philharmoniker ist auf eine langweilige Art und Weise noch ordentlich. Mitunter versucht Dirigent Bertrand de Billy ein wenig Poesie einzubringen, im Grunde jedoch gelingt es ihm nicht, aus dem Biederen herauszuholen. Die Hektik der Körper, die Guth verlangt, ist der Musikqualität zusätzlich abträglich, manche Lyrik verpufft mitunter in der Tiefe des Bühnenbildes. Allein Erwin Schrott (als Leporello) ist ein glänzendes Exempel für die starken Seiten dieser Inszenierung. Er hat es verdient, nicht nur als Vater des Kindes von Anna Netrebko bekannt zu sein. Am besten unter den Damen übrigens noch Dorothea Röschmann (als entnervte Donna Elvira). Allerdings heißt das für einen solchen Abend nicht besonders viel, an dem Bertrand de Billy einige Buhs auszuhalten hatte und Claus Guth sich trösten konnte, dass dem lauten Zorn als berechtigter Kontrast auch einiges an Begeisterung beigemischt war. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD/Printausgabe, 29.07.2008)