Katharina Cortolezis-Schlager: "Wiens Kindergärten sind im Vergleich mit anderen Städten einfach zu teuer."

Foto: ÖVP Wien

"Andere Städte schaffen es ja auch, den Kindergarten gratis oder günstig anzubieten." Für Katharina Cortolezis-Schlager, Stadträtin und ÖVP-Bildungssprecherin, gibt es keine Ausreden mehr, von den Eltern Gebühren zu verlangen. Im Vergleich mit anderen Städten sei Wien einfach zu teuer. Als Grund nennt sie gegenüber derStandard.at überbordende Bürokratie in der Stadtverwaltung. Wenn Stadträtin Grete Laska keine Gelder mehr im Prater "versenken würde", stehe dem Gratis-Kindergarten nichts mehr im Wege. Warum Bildungsministerin Claudia Schmied ein "Umsetzungszwerg" und Laska "rücktrittsreif" ist, begründet Cortolezis-Schlager im Gespräch mit Elisabeth Oberndorfer.

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derStandard.at: Sie werfen der SPÖ Wien vor, dass die Betreuungsquote in den Kindergärten aufgrund der Preise sinkt. Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

Cortolezis-Schlager: Wir haben über 500 WienerInnen, deren Kinder nicht in den Kindergarten gehen, befragt, was sie am Kindergartenbesuch hindert. Darunter waren in erster Linie AlleinerzieherInnen und Eltern mit Migrationshintergrund. Das Ergebnis: 'Wir würden gern, können es uns aber nicht leisten' ist die häufigste Antwort.

Eine Alleinerzieherin mit einem Netto-Einkommen von 1.300 Euro und Alimenten in der Höhe von 250 Euro zahlt um 1.000 Euro pro Jahr mehr als in den vergleichbaren Städten Graz und Linz. Daher fordere ich als ersten Schritt, den Kindergarten ab Herbst für Fünf- bis Sechsjährige gratis anzubieten.

Wir haben auch die Öffnungszeiten der österreichischen Kindergärten verglichen und haben bemerkt, dass es zwar ein Stadt-Land-Gefälle gibt, in den Städten aber die Kindergärten ebenso lange geöffnet sind wie in Wien. Das Argument der SPÖ Wien, man brauche die Gebühren wegen der längeren Betreuungszeiten, haben wir damit also widerlegt. In unserem Vergleich ist Wien einfach zu teuer.

derStandard.at: Planen Sie die Umfrage zu veröffentlichen? Haben Sie die SPÖ schon damit konfrontiert?

Cortolezis-Schlager: Wir haben diese Studie nur für uns durchgeführt. Eine Studie des Instituts für Familienforschung ist im vergangenen Jahr aber zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Von der SPÖ fordern wir seit drei Jahren den Gratiskindergarten. Die einzige Antwort, die wir von ihnen bekommen: 'Wir sind eh so sozial, deshalb haben wir die soziale Staffelung eingeführt'.

derStandard.at: Warum ist die SPÖ Wien Ihrer Meinung nach so vehement gegen den kostenlosen Kindergarten?

Cortolezis-Schlager: Weil sie lieber Hochglanzbroschüren druckt statt den BürgerInnen Leistungen zukommen zu lassen. Dass Stadträtin Grete Laska so viel Geld im Prater vernichtet hat, zeigt, dass ihre Prioritäten woanders liegen.

derStandard.at: Gratis-Kindergärten für Fünf- bis Sechsjährige ab September - ginge sich das überhaupt noch aus?

Cortolezis-Schlager: Wir haben das nachgerechnet: Vier Monate dauert es, bis das neue Budget kommt. Die erste Sparmaßnahme, die mir einfällt: Keine einzige Hochglanzbroschüre mehr drucken. Und wenn das neue Budget kommt, muss man kräftig umschichten. Es wird im Verwaltungsbereich durch eine überbordende Bürokratie viel Geld verschwendet. Außerdem sollte man die inflationsbedingten Mehreinnahmen sofort umschichten. Schon allein durch Strom und Gas hat die Stadt Mehreinnahmen von 165,9 Millionen Euro gegenüber 2005. Anstatt die Gelder im Prater zu versenken, sollte man sie lieber den Familien zukommen lassen.

Andere Städte schaffen es ja auch, den Kindergarten gratis oder günstig anzubieten. Wenn wir die Kinder außerdem schon ab dem dritten Lebensjahr in den Kindergarten schicken, lernen sie die Sprache spielerisch. Wir könnten uns durch Frühforderung viele Millionen Euro für Sprachförderung in der Schule ersparen.

derStandard.at: Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen, dass Grete Laska Ihre Vorschläge annimmt?

Cortolezis-Schlager: Sie wird irgendwann so unter Druck geraten, dass sie handeln muss. Die Menschen erwarten sich als Maßnahme gegen Inflation Entlastungen, und sie erwarten sich eine funktionierende Integrationspolitik. Das wird sie einsehen müssen. Für mich ist Laska aber rücktrittsreif, mit der Blockadepolitik kommen wir in Wien nicht weiter.

derStandard.at: Der kostenlose Kindergarten war auch ein Punkt des ÖVP-Perspektivenpapiers. Sind Sie als Leiterin der Bildungsgruppe unzufrieden, dass so viele Perspektiven nicht umgesetzt wurden?

Cortolezis-Schlager: Mit dem Perspektivenpapier haben wir schon einiges erreicht. Die Bildungsstandards waren eine jahrelange Forderung von uns. Für die Frühförderung hat sich Johannes Hahn auf Bundesebene eingesetzt, obwohl das ein regionales Thema ist. Das, was mir vom Perspektivenpapier fehlt, ist die Evaluierung aller Schulversuche. Unsere Forderungen aus dem Papier werden wir natürlich auch in die nächste Regierung mitnehmen.

derStandard.at: Was halten Sie von einer universitären Ausbildung für KindergartenpädagogInnen?

Cortolezis-Schlager: Die Ministerin hat eine Baustelle nach der anderen errichtet, ohne für die Umsetzung zu sorgen. Unsere aktuelle Baustelle heißt Frühförderung. Das soll sie einmal angehen, wenn sie dann noch Kapazitäten hat, soll sie halt auch die Ausbildung angehen. Momentan wirkt sie aber etwas überfordert. Es zeigt einfach, dass sie ein Umsetzungszwerg ist.

derStandard.at: Bernd Schilcher hat in einem Interview vorgeschlagen, Claudia Schmied als Bildungsministerin auch in einer nicht-sozialistischen Regierung wieder zu bestellen. Würden Sie das unterstützen?

Cortolezis-Schlager: Die ÖVP hat so viele Fachleute im Bereich Bildung, dass sie nicht auf fremde Hilfe zurückgreifen muss.

derStandard.at: Könnten Sie sich vorstellen, das Bildungsministerium zu übernehmen, falls die ÖVP nach den Neuwahlen noch mitregiert?

Cortolezis-Schlager: Ich bin gerne Stadträtin und mein erstes Anliegen ist es, mich für ein familien- und bildungsfreundliches Wien einzusetzen. Im Moment müssen wir Wahlkampf führen - und nicht personelle Debatten. (derStandard.at, 28. Juli 2008)