Genf  - Die Beratungen bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf sind am Montag in die zweite Woche gegangen. Auf allen Ebenen wurden Gespräche geführt, um eine Einigung bei den Agrar- und Industrieprodukten zu erzielen. Mit einem wirklichen Durchbruch, der die Grundlage für Abschlussberatungen bis Ende des Jahres sein könnte, rechnen Diplomaten erst am Dienstag oder Mittwoch. Allerdings wurden am Montag auch neue Bedenken über einen Abschluss deutlich.

Der Ton bei den WTO-Gesprächen über ein neues Abkommen zur Liberalisierung des Welthandels ist schärfer geworden. Die USA erklärten, sie hätten bei dem am Wochenende erzielten vorläufigen Kompromiss "einiges geschluckt". Doch jetzt weigere sich Indien, das von dem Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, vorgelegte Packet zu akzeptieren. Und China versuche, sich hinter Erreichtes zurückzuziehen, sagte der amerikanische WTO-Beauftragte David Shark.

Wenn die beiden Schwellenländer nicht sofort diesen Kurs änderten, "werden wir alle Genf mit leeren Händen verlassen", sagte Shark. Indien wies die Kritik zurück. Der Stillstand sei Folge von unvernünftigen Forderungen der USA und anderer reicher Länder.

Grundzüge, aber nicht alle Fragen geklärt

Die Delegationen aus mehr als 30 Ländern hatte sich am Freitag in Grundzügen auf ein Abkommen zur Öffnung der Märkte für Agrarprodukte und Gebrauchsgüter geeinigt, aber nicht alle Fragen geklärt. Die vorläufigen Vereinbarungen zielen darauf ab, dass die Europäer ihre Agrarsubventionen um 80 Prozent kürzen, die USA um 70 Prozent. Bei den Gebrauchsgütern sollen die Zölle zugunsten der Entwicklungsländer um 20 bis 25 Prozent zurückgefahren werden.

Die deutsche Regierung äußerte unterdessen die Hoffnung auf ein positives Ergebnis der Verhandlungen. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministerium sagte, die von Lamy vorgeschlagene Senkung von Industriezöllen durch die Schwellenländer seien "grundsätzlich positiv" zu bewerten. Das Landwirtschaftsministerium erklärte dagegen, keine Einschätzung zu den Auswirkungen gesenkter Importzölle für Agrarprodukte wie Zucker abgeben zu können.

Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) warnte in einem Interview mit dem Deutschlandradio vor einem Scheitern der Genfer Verhandlungen, da dies auch die Chancen der armen Länder für bessere Lebensbedingungen verringern würde. Dagegen wäre eine Einigung auch ein "wichtiges und gutes Signal in Richtung auf andere globale Verhandlungen, zum Beispiel beim Kampf gegen Klimawandel".

Die Ministerkonferenz in Genf soll die im Jahr 2001 gestartete sogenannte Doha-Runde zur weiteren Handelsliberalisierung einem Abschluss näher bringen. Arme und reiche Länder haben unterschiedliche Erwartungen: Entwicklungsländer fordern einen besseren Zugang zu den Agrarmärkten der Industriestaaten, diese wiederum wollen einen freieren Zugang zum Industrie- und Dienstleistungssektor im Ausland.  (APA)