Wien - In Stadtentwicklungsgebieten sind Bezirksräte auf ständiger Suche nach Namensgebern für die neuen Straßenzüge. Im 21. Wiener Gemeindebezirk wurde man rasch fündig. Eine Straße, die quer über eine grüne Wiese, die schon an Niederösterreich grenzt, verläuft, soll Margret-Dietrich-Gasse heißen. Was die Bezirksräte der SPÖ, FPÖ, ÖVP und Grünen nicht wussten, als sie für die Benennung nach der geachteten Theaterwissenschafterin stimmten: Dietrich war NSDAP-Mitglied. Schon 1933 war sie der Hitlerjugend beigetreten, 1938 wurde sie Mitglied der Nationalsozialistischen Partei. Die 1920 in Lippstadt (Westfalen) geborene und 2004 verstorbene Dietrich studierte in Münster und Graz Altphilologie, Geschichte, Germanistik und Philosophie.

Institutsvorstand in Wien

1942 kam sie nach Wien und baute mit Heinz Kindermann das von ihm gegründete Institut für Theaterwissenschaft auf. Dietrich leitete das Institut von 1966 bis 1984. Eine NSDAP-Mitgliedschaft hatte Margret Dietrich immer geleugnet und dazu auch eine eidesstattliche Erklärung abgegeben. Als die Wienbibliothek 2004 Nachforschungen anstellte, hieß es, dass Dietrichs Biografie als unbedenklich einzustufen wäre.

Erst 2007, als das Institut für Theaterwissenschaften zur Institutsgeschichte recherchierte, wurde die Personalakte, auf der die Mitgliedschaft vermerkt ist, entdeckt. Marie Ringler, Kultursprecherin der Grünen, fordert nun die Umbenennung der Straße. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SP) will die Angelegenheit prüfen. Es wäre nicht die erste Umbenennung: Die Simon-Wiesenthal-Gasse war davor nach dem NSDAP-Mitglied Franz Ichmann benannt. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD Printausgabe, 26./27.7.2008)