"Hitze - Abenteuer eines Amateurs als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling"

Foto: Hersteller

Der Weg vom Köchlein zum Koch sieht jedoch anders aus.

******

Schwache fünf Punkte wäre das gestrige Abendessen in einem Kärntner Upper Class Hotel wert gewesen, nicht mehr, und das auch nur, weil der Lammrücken wirklich in Ordnung war. Aber die Sauce war pampenartig in Konsistenz und Geschmack, die sowieso verzichtbare Kräuterbutter löste Margarine-, die lieblose Gemüsemischung Tiefkühltruhenalarm aus. Diese Garnitur wäre den diversen Küchenmeistern von "Unter Volldampf" - von wo ich die Zehn-Punkte-Skala entleihe - aber eher gar nicht auf den Tisch gekommen, sie hätten schon vorher Einspruch erhoben.

Worum es hier geht: dass man als Esser auch in angeblich "gehobeneren" Restaurants schon häufig vom Gedanken "Das kann ich auch, und besser" gestreift werden kann. Was einem da Dilettantisches in Restaurantküchen auf den Teller gehoben wird - wobei das Wort fehl am Platze ist, dilettantisch kommt immerhin von diletto, Spaß, und das haben hier weder Koch noch Esser. Zu Hause hingegen kochen immer mehr Menschen, zumal männliche, immer öfter immer besser. Vor ein paar Jahren war es sicher noch so, dass auf den diversen marmornen Küchenarbeitsplatten, die als Bobo-Statussymbol das Cabrio abgelöst haben, regelmäßig die Laberln mit dem Namen des an der Sache völlig schuldlosen schottischen Clans ausgepackt wurden. Früher war man wer, wenn man einigermaßen kochen konnte. Heute geht es schon ums Mithalten. Schon lange nicht mehr schlecht gegessen, privat.

"Si beva a casa ma si pranzi fuor!"

Aber dafür in Restaurants, oder zumindest oft mit ärgerlichen Fehlern konfrontiert, sodass sich fragt, wie die Küche das Gericht freigeben kann. Aus dieser Situation kann man verschiedene Konsequenzen ziehen. Die unspektakulärste und vernünftigste wäre: Speiseetablissements werden nur im Notfall aufgesucht, freiwillig nur dann, wenn die Küche verspricht, über das hinauszugehen, was man selbst kann. Im Regelfall kocht und isst man jedoch brav zu Hause, sozusagen als Umkehrung des in La Bohème verkündeten Diktums "Si beva a casa ma si pranzi fuor!" (man trinke zu Hause, aber man speise auswärts).

Aber es gibt noch eine Möglichkeit für jene, die es - aus mangelndem oder überbordendem Selbstbewusstsein - wissen wollen: Man tritt den "Das kann ich auch"-Wahrheitsbeweis an. Möglichst öffentlich, im TV. Sendungen, wo sich sogenannte "Hobbyköche" exhibitionieren, gibt es momentan zuhauf. Kochen ist in, Wettbewerbe sowieso, und immer dieselben skurrilen Schnurrbärte und grinsenden Wienerinnen will man auch nicht sehen. Da muss Frischfleisch her. Also miteinander und gegeneinander, am besten in Theatermanier auf der Bühne vor dem Publikum im Saal, das durch ein paar verabreichte Happen zum Statisten wird. Zu Hause an den Geräten schieben sie sich Pringles rein.

Die ausführlichste Fernseh-Kochschiene hat im Moment Vox TV, dazu gehört das bereits erwähnte "Unter Volldampf", das das realitätsnächste Setting bieten dürfte: Fünf Kandidaten/Kandidatinnen werden für fünf Tage in wöchentlich wechselnde Restaurantküchen (mit unterschiedlich netten Küchenchefs) implantiert. Jeden Tag kocht ein anderer Vorspeise respektive Zwischengang, Hauptspeise, Dessert, einer ist im Service. Draußen essen die "normalen" Restaurantgäste und bewerten. Da gibt es Überflieger und Untergänger. Die soziale Kompetenz wird gleich mitgeprüft, wer hilft den anderen, wer hängt nur über den eigenen Töpfen? Auch der Zuschauer outet sich: Was sagt es über mich aus, wenn ich immer zum Underdog halte? Etwa zum netten Kfz-Mechaniker mit den schwarzen Rändern unter den Fingernägeln, der die Löffel abschleckt. Solange ich nicht bei ihm essen muss ...

Freizeitvergnügen für Masochisten

Sinnlose Übung, alle Formate aufzuzählen, wo der kleine Mann, die kleine Frau im TV mitkochen darf. Aber das Phänomen ist spannend. Was heißt das, "kochen können"? Was heißt "kochen lernen"? Ist nun Johanna Maier eine Autodidaktin oder doch nicht, weil sie als Mädchen eine Koch- und Kellnerlehre absolviert hat (die sie aber keineswegs sofort in die Küche führte, zu kochen begann sie erst nach Jahren. Ähnlich der Werdegang der Lisl Bacher). Oder, wieder zurück in die Hobbykochniederungen: Ein einzelnes Gericht, das man bisher für sechs Personen zubereitet hat, plötzlich für 40 aus einer Restaurantküche rausschießen zu müssen, was genau gibt einem das? Fühlt man sich danach erwachsen? Oder ist es einfach nur ein Freizeitvergnügen für Masochisten?

"Auch wenn es dich glücklich macht, den Küchentrottel zu spielen, alle anderen hier müssen ihren Lebensunterhalt verdienen", das sagt zwar niemand laut zu ihm, aber er fühlt es: Bill Buford, der Kaiser aller Küchenmasochisten, dessen Hitze (heuer bei Hanser auf Deutsch erschienen) man zur Pflichtlektüre für exhibitionistische Hobbyköche erheben sollte. Auch wenn man unsere kleinen Cooking-TV-Stars natürlich nicht mit ihm vergleichen darf. Buford tritt in keinen Wettbewerben an, schon gar nicht im Fernsehen (hoffentlich straft er mich nicht Lügen). Auf die Hybris, einen bekannten New Yorker Küchenchef zu sich nach Hause zum Essen eingeladen zu haben, folgt der Bußgang als "Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling". Aber er kommt aus dem Küchenfeuer geläutert zurück, mit vollem Herzen, nicht mit voller Klappe.

"Küchengefühl"

Enten entbeinen, viele Enten, Karotten in winzige Würfel schneiden, tagelang, hundertfünfzig Lammzungen kochen, putzen, häuten, schneiden. An sechs Zwiebeln kann man nicht lernen, mit dem Messer umzugehen, es müssen mindestens hundert sein. Später am Grillplatz (die Küchenhölle), danach Pastamachen. Um zu entdecken, dass es mehr braucht: die Lehre in Italien. Und wenn man zuvor Literaturredakteur beim New Yorker war, bringt man es als 380-Seiten-Reportage zu Papier.

Buford lernt "Küchengefühl" - das ist, wenn man am Geruch erkennt, in welchem Garzustand Fleisch ist -, aber er lernt vor allem, was Lebensmittel sind. Ist ja in der Tat eigenartig, dass Vegetarier mehr über Fleisch nachdenken als jene, die es essen. Bei seinem ersten Aufenthalt beim berühmten Dante-zitierenden toskanischen Fleischhauer Dario Cecchini (an dessen Charakter man erahnen kann, dass auch kulinarische Fundamentalisten das Zeug zu Terroristen haben) hat Buford Schwein gelernt, deshalb ersteht er, auf Urlaub (sic!) zu Hause, ein solches und verarbeitet es in sieben Tagen zu 450 Portionen diverser Schweinsgerichte. Dann fährt er zurück nach Italien, um Rind zu lernen.

Das kompetitive TV-Kochen darf hingegen in der Regel von keines Gedankens Blässe über das, was man hier wirklich tut, angekränkelt sein. Da geht es um "Tipps", nicht um Handwerk. Und um Philosophie schon gar nicht. Aber, die die Hobbyköche begleitenden streichelweichen (während sonst diese Zunft eher für ihre Deftigkeit bekannt ist) Profiköche werden sich hoffentlich ab und zu im Geheimen ihren Teil denken, denn sonst wären sie keine. Tun sie das? "Ein schön angerichteter Teller (einstürzende Foodbauten), glaubt das Köchlein, sei bereits Kunst", schreibt Vincent Klink in der letzten Ausgabe von Häuptling Eigener Herd und meint damit einige seiner Kollegen. Insofern wäre der Kochboom ein guter Anlass für die Profis, darüber nachzudenken, was der Unterschied zwischen ihnen und ihren kecken Herausforderern sein sollte. (Gudrun Harrer/Der Standard/rondo/25/07/2008)