Fünfzehn Neue DAF Lieder
(Universal)

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20 Jahre nach ihren Erfolgen als große Provokateure des deutschen Punk und Vorreiter des Techno kehrt die "Deutsch-Amerikanische Freundschaft" ("Tanz den Mussolini!") mit einem neuen, "antiamerikanischen" Album zurück. Das Entsetzen wird sich in Grenzen halten.

Wien – 1981 kam der erste große Tabubruch im deutschen Pop: "Beweg deinen Hintern, tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler, tanz den Kommunismus, tanz den Jesus Christus!" Das Duo Gabi Delgado und Robert Görl wagte es als Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF) nicht nur erstmals, aus dem Punk abgeleitete, mitunter reichlich kindische "politische" Provokationen gegenüber dem "System" in Musik umzusetzen. Hier wurde auch bewusst gegen die Rock-'n'-Roll-Tradition eines Gemeinschaftsgefühls, eines "Wir gegen den Rest der Welt!" gewütet.

Der dadurch entstehende Bruch des "Schweigegelübdes" bezüglich Faschismus und seiner Aufarbeitung riss tiefe Gräben im Pop-Lager selbst. Ekel, Verunsicherung, Faszination? Faschismuskeule! Selten sorgte Pop für derartig hitzige Debatten.

Klein und böse

Von den Massenszenen auf dem Nürnberger Parteitag zu den gleichgeschalteten Publikumsreaktionen bei Stadionrock-Konzerten ist der Weg kein weiter – wenn man die Argumentation kurzführt. Siehe später auch die Faschismusvorwürfe gegenüber den slowenischen Kunstprovokateuren Laibach und "ihrem" eingedeutschten Queen-Song Geburt einer Nation aus 1987.

Immerhin aber wurden die Verhältnisse von DAF Anfang der 80er-Jahre mit Alben wie Die Kleinen und die Bösen oder Alles ist gut obendrein noch mittels "kalter", "seelenloser", "monotoner" und von jedweder Melodie befreiter "Maschinenmusik" zum Tanzen gebracht. Hier kam jene Kunst der Irritation ins Spiel, die DAF neben Kraftwerk zu den Ahnherren der späteren "Electronic Body Music" und des Techno machen sollte.

Zu harten, trockenen Sequencer-Bassmotiven, die damals noch von Tapedecks abgespielt werden mussten, kam bei DAF das erbarmungslose Schlagzeug von Robert Görl. Gabi Delgado gab dazu mit parolenhaften Texten das als offenes Messer gegen das Publikum anrennende Brülltier.

Alle gegen alle, Absolute Körperkontrolle, Ein bisschen Krieg, Der Mussolini. Vor allem der dank Jürgen Teipels gleichnamiger deutscher Punk-Dokumentation aus 2001 einem heutigen Revival das Motto gebende Song Verschwende deine Jugend: Der Nihilismus des Punk und die Maschinenliebe der New Wave wurden hier zusätzlich mit einem Element bis zum kritischen Punkt aufgeheizt. Dieses sollte bis heute in der deutschen Musik höchstens noch bei Rammstein auftauchen. Der nackte, vor Schweiß triefende Körper und durchaus auch physische Aggression bei Konzerten sorgten für Randale. Vor allem auch: Sex! Knallhart in S/M-Leder und homoerotisch besetzt.

Mitte der 80er-Jahre war das DAF-Konzept stilistisch ausgereizt, das Publikum gelangweilt, weil versöhnt. Man ging getrennte Wege, um Jahre später mit kommerziell wenig erfolgreichen Soloprojekten an den Rändern der Technoszene ein Schattendasein zu fristen.

Aber, bitte, was soll man nun von dieser Rückkehr halten?! Nächste Woche veröffentlichen DAF mit 15 neue DAF-Lieder ein Album, das so klingt, als wäre 20 Jahre lang nichts geschehen. Robert Görl kann zwar aufgrund der Folgen eines Autounfalls heute nicht mehr Schlagzeug spielen. Mit kokettem Antiamerikanismus und aus den alten Sequencern und einem Drumcomputer gebolzten Stücken wie Der Sheriff ("Wenn der Sheriff reiten geht, dann reiten alle mit") soll hier aber heute erneut gegen den Pop-Konsens vorgegangen werden.

Selbst "geil" wie ehedem Gehecheltes ("Schönes Mädchen, zieh den Rock hoch, zeig mir alles!") und vor allem auch das Kinderzimmer mit seiner Verklärung der RAF ("Ulrike Meinhof war für mich als Kind ein echter Superstar!") machen das Bestreben dermaßen offensichtlich, dass man sich wie früher oft auch wieder eines fragt: Sind die so blöd oder tun sie nur so?!

"Ich bin tot, das ist gut", heißt es 2003. 1981 gab man sich auch schon heiter: "Denk bitte nicht nach, alles ist gut."
(DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2003)