Nachdem Deutschland in jüngster Zeit durch seine eher holzschnittartige Diplomatie im Rennen um die künftige Dominanz innerhalb der Europäischen Union ein wenig zurückgefallen ist, rittern derzeit Frankreichs Präsident Jacques Chirac und der anerkannt US-freundliche britische Premier Tony Blair allein um eine Vorrangstellung auf dem alten Kontinent. Dabei wird kräftig ausgeteilt: Kaum liest Chirac den EU-Beitrittskandidaten die Leviten, weil sie sich gegen seinen Willen mit den USA solidarisch erklärten, schreibt Blair postwendend denselben Staatschefs einen in durchaus anbiederndem Ton gehaltenen Brief, er selbst habe natürlich stets die Interessen dieser Staaten vertreten.

Auch Simbabwes Tyrann Robert Mugabe kommt durch den Wettstreit der beiden Recken zu unverdienten Ehren. Trotz der EU-Sanktionen gegen Mugabe, für die sich besonders London als ehemalige Kolonialmacht stark machte, lud ihn Paris zu einer Afrika-Konferenz, bei der es um Demokratie und Menschenrechte gehen soll. Zusätzlich zum Affront gerät Blair durch diese Einladung auch innerhalb des Commonwealth unter Druck, weil sich Südafrika, die Wirtschaftslokomotive südlich der Sahara, und Nigeria, der sechstgrößte Ölexporteur der Welt, für Simbabwes Mugabe einsetzen und eine Aufhebung aller Sanktionen fordern. So beeilte sich London sofort, diplomatisch kaum verbrämt darauf hinzuweisen, dass es bei der Konferenz nur um französische Geschäftemacherei gehe.

Der Ausgang des Zweikampfes wird von eminenter Bedeutung für die künftige Ausrichtung der EU sein: Setzt sich Blair durch, würde sich die Union wohl im Windschatten der USA halten. Überzeugt Chirac, werden die transatlantischen Beziehungen künftig etliche Belastungsproben auszuhalten haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2003)