Zur Person

Jackson Janes ist Direktor des American Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins University in Washington, D.C. Der Politologe ist ein intimer Kenner des transatlantischen Verhältnisses und Mitglied des Council on Foreign Relations sowie des International Institute for Strategic Studies.

Obama oder McCain – nach der Wahl wird jeder Präsident US-Interessen verfolgen. Für Europa müsse das aber kein Nullsummenspiel sein, sagt der Politologe Jackson Janes zu Christoph Prantner.

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STANDARD: Barack Obama löst in Europa große Begeisterung aus. Tausende wollen ihn sehen, 80 Prozent der Deutschen würden bei der Präsidentenwahl für ihn stimmen. Was ist mit dem guten alten Antiamerikanismus passiert?

Janes (lacht): Ach, Antiamerikanismus gibt es in der Tat noch genug. Was wir hier sehen, ist ein Kontrastprogramm zu George W. Bush. Die Menschen in Europa haben in den vergangenen Jahren gespürt, dass die USA ihre Werte nicht gelebt, ihre Reputation nicht gepflegt haben. Das hat nicht mit dem Bild übereingestimmt, das die Europäer gerne von den Vereinigten Staaten hätten. Obama behebt dieses Problem. Er erfüllt die Sehnsucht, dass die USA so gut sind, wie sie die Europäer sehen wollen.

STANDARD: Aber auch Obama würde als Präsident Entscheidungen treffen, die den Europäern nicht behagen. Werden wir Zeugen einer programmierten Enttäuschung?

Janes: In den USA gibt es große politische Erschöpfung im Blick auf diese Administration und auch auf den Kongress. Aber es gibt auch das Gefühl der Bürger, dass sie es besser machen können. Dafür steht Obama. Und dieses Gefühl überträgt sich auch auf die Europäer. Wird Obama gewählt, muss seine Regierung in den ersten 24 Monaten harte Entscheidungen treffen. Er muss bestimmen, was in Afghanistan passieren soll, mit dem Iran, dem Irak. Jede Administration, ob mit Obama oder McCain, muss für ihre Pläne eine gewisse Unterstützung der Europäer haben. Beide Kandidaten werden dabei beinahe deckungsgleich vorgehen. Ich sage meinen europäischen Freunden stets, dass es außenpolitisch keinen großen Unterschied macht, wer von beiden im Weißen Haus einzieht. Die Differenz liegt im Stil. Viel wichtiger ist es für die Europäer, ihre eigenen Positionen zu bestimmen und zu wissen, was sie denn vom neuen Präsidenten wollen. Damit fahren sie nach der Wahl in jedem Fall besser.

STANDARD: Das bedeutet auch, dass die Europäer tatsächlich verlässliche Partner sein müssten und sich nach der Wahl nicht mehr darauf herausreden können, dass "mit dem Typen im Weißen Haus" keine vernünftige Politik zu machen sei.

Janes: Das ist richtig. Aber das bedeutet noch nicht, dass die Deutschen plötzlich 10.000 Soldaten nach Afghanistan schicken müssen. Wenn Obama die Wahl gewinnt, wird er amerikanische Interessen vertreten und amerikanische Politik machen. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass das ein Nullsummenspiel für Europa sein muss. Wenn jemand das der breiten Masse der Europäer nahebringen kann, dann wahrscheinlich Obama. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2008)