"Let's play Global Thermonuclear War. Fine." (Matthew Broderick und Ally Sheedy)

Foto: MGM

1983, mitten im Kalten Krieg - USA und Sowjetunion drohten einander gegenseitig mit nuklearen Angriffen - erschien ein Film, der die Computerszene tief beeindruckte. Zum 25. Jubiläum von WarGames erscheint in den USA die Fortsetzung WarGames: The Dead Code auf DVD. Google veranstaltete im Mai eine Jubiläumsvorstellung und die Hacker- und Gamingszene schwelgt in kollektiven Erinnerungen.

Handlung

Die Handlung ist schnell erzählt: Highschool-Schüler David Lightman, gespielt vom damals 21-jährigen Matthew Broderick (mittlerweile mit SATC-Star Sarah Jessica Parker verheiratet), will ein unveröffentlichtes Computerspiel auszuprobieren und die angebetete Jennifer Katherine Mack (Ally Sheedy) mit seinen Computerkünsten beeindrucken. Also hackt er sich in das Netz der Firma, landet dabei allerdings ohne es zu wissen im Militär-System Norad, bei dem der intelligente Computer WOPR (War Operation Plan Response) die Kontrolle über die thermonuklearen Rakten hat. Was er nicht wissen kann: die Simulation Global Thermonuclear War ist kein Spiel, sondern Realität. Natürlich ist David der Einzige, der das Armageddon aufhalten kann, Unterstützung erhält er vom WOPR-Entwickler Dr. Falken. Am Ende kann er den Computer sogar davon überzeugen, dass die einzig richtige Lösung des "Spiels" ist, keinen weiteren Spielzug zu setzen und die Raketen nicht abzufeuern. Legendärster Satz im Film: "A strange game, the only way to win is not to play." Soviel zum Hollywood-Teil der Geschichte.

Von Hollywood ins Silicon Valley

WarGames ist in die Annalen des Silicon Valley eingegangen. "Viele von uns wuchsen mit diesem Film auf. Es war ein Schlüsselfilm für eine Generation, speziell für diejenigen von uns, die sich für Computer interessierten", so Google-Mitgründer Sergey Brin bei der Jubiläumsvorstellung. Die Auswirkungen des Oscar-nominierten Films waren groß. Hacker waren bis dato eine eher unbekannte Spezies und selbst im Weißen Haus soll der damalige Präsident Ronald Reagan über dem Film diskutiert haben.

Computer in der Nebenrolle

Dabei war der wichtige Part, den Computer und Technik in dem Film spielen, eigentlich gar nicht so geplant, wie Walter Parkes, Drehbuchautor und späterer Chef von DreamWorks Pictures, in einem Interview mit Wired verrät. Ursprünglich sollte sich die Handlung nur um den schwer erkrankten Wissenschaftler namens Stephen Falken drehen, dessen wissenschaftliche Arbeit von einem hochintelligenten aber rebellierenden Teenager fortgeführt werden soll. Direktes Vorbild für Falken war der an ALS erkrankte Astrophysiker Stephen Hawking.

Recherche am SRI

Zu Recherchezwecken kontaktierten Parkes und sein Co-Drehbuchautor Lawrence Lasker Peter Schwartz vom Stanford Research Institute (SRI). Erst Schwartz stellte die Verbindung zwischen dem jugendlichen Geek, Computern, Spielen und schließlich dem Militär her. So änderte sich das Konzept von The Genius, so sollte der Film um den Wissenschaftler heißen, langsam zur Handlung von WarGames.

Anfänger der Hacker-Szene

Zu dieser Zeit steckte die Hacker-Szene noch in den Anfängen. "Es gab eine neue Subkultur von äußerst cleveren Kids, die sich zu dem entwickelten was später als Hacken bekannt wurde", so Schwartz gegenüber dem Magazin. Für ihre Recherche mussten die Filmemacher nicht lange suchen. Das Stanford Research Institute hatte in Palo Alto Nachbarn wie Xerox PARC und Apple. "Es passierte alles hier", erinnert sich Schwartz.

Inspiriert vom Militär

Zu den beliebtesten Games der Szene zählten laut Schwartz Weltraum-Spiele und Militärsimulationen, die auch beim SRI liefen. Inspiration holten sich Parkes und Lasker von der unterirdischen Zentrale des North American Aerospace Defence Command (Norad), wo im Jahr 1980 das Militär Ausschau nach sowjetischen Raketen hielt. Der Charakter des General Beringer (gespielt von Barry Corbin), basiert daher auf einer Begegnung bei beiden Drehbuchautoren mit dem damaligen Norad-Kommandanten James Hartinger. Zu den Filmemachern soll er bei einem Umtrunk nach dem Besuch der Station gemeint haben, er schlafe besser im Wissen, dass er und nicht die Maschinen die Verantwortung haben.

"Hacken war einfach"

Hacken soll zu dieser Zeit recht einfach gewesen sein, darf man den Angaben von David Scott Lewis, einem der Vorbilder für die Figur des David Lightman, glauben. "Es gab wenn überhaupt nur wenige Sicherheitsmaßnahmen." Er habe beispielsweise die Vorkehrungen des Computer Security Institutes recht einfach umgehen können. Im Film erinnert daran die Szene, in der David nach Falkens Backdoor-Passwort ("Joshua") sucht.

Die ersten Nerds der Filmgeschichte

Weitere Inspiration holten sich Parkes und Lasker beim Telefonhacker John Draper, genannt Captain Crunch. Draper benutzte eine einfache Pfeife aus einer Frühstücksflocken-Packung (daher der Name), um eine Telefonleitung für unlimitierte Anrufe freizuschalten. Seine Methode fand ebenfalls einen Platz im Film, die daraufhin als Wardialing bekannt wurde. Auf diese Weise konnte David den Kontakt zum Militär-Computer herstellen. So fanden auch weitere Hacker-Tricks wie Social Engineering und Cracking ihren Weg in den Film, wobei allerdings nicht David selbst, sondern seine beiden Helfer Malvin und Jim (gespielt von Eddie Deezen und Maury Chaykin) unter Fans als die ersten Computer Nerds der Filmgeschichte gelten.

Ähnlichkeiten zu Dr. Strangelove

Weil Universal Pictures Probleme mit dem komplexen Skript hatte, wechselten die Filmemacher Anfang 1982 zu United Artists, wo zunächst auch Regisseur Martin Brest an Bord kam (später übernahm John Badhaim den Regiesessel). Seine ersten Änderungswünsche betrafen den Charakter von Falken, der in einem Rollstuhl im War Room sitzend für seinen Geschmack zu sehr an den Ex-Nazi-Wissenschaftler Dr. Strangelove in Peter Sellers gleichnamigen Film erinnerte. (In Stanley Kubricks Film ist es allerdings ein wahnsinniger General, der den Angriff erteilt und nicht eine Maschine. Und anders als in WarGames gibt es bei Dr. Strangelove auch kein Happy End.)

John Lennon als Falken

Die beiden Drehbuchautoren hatten sich ursprünglich John Lennon als Darsteller für den Wissenschaftler gewünscht. Wie sie im Interview erzählen, hätten sie diesbezüglich auch Kontakt mit David Geffen gehabt und Lennon habe sich an der Rolle durchaus interessiert gezeigt. Doch mit dem Tod Lennons im Winter 1980 sollte es anders kommen.

2600 und Defcon

So wie die damals aufkeimende Hackerkultur den Film beeinflusste, so hatte auch der Film starke Auswirkungen auf die Szene. Ein Jahr nach dem Erscheinen des Filme kam das Hacker-Magazin 2600 heraus - benannt nach dem 2600-Hz-Sinus-Ton, der von sogenannten Phreakern zum Hacken von Telefonleitungen verwendet wird. 1993 öffnete schließlich die erste Hacker Convention Defcon ihre Tore.

Einfluss auf Urteile

Der Film hatte allerdings auch bei den Behörden einen starken Eindruck hinterlassen. "Dieser Film hatte einen bedeutenden Einfluss darauf, wie mich die Regierung behandelte", so Kevin Mitnick, ehemaliger Hacker und heutiger Security-Experte. Er saß rund acht Monate in Einzelhaft, weil der Staatsanwalt dem Richter erklärte, dass sich Mitnick mit einem Telefon in Norad einwählen und eine Rakete starten könne. Selbst hatte Mitnick immer bestritten, sich in Norad gehackt zu haben.

Keine einsamen Geeks

Das Image des Computer-Users hat sich seit dem Film stark geändert. Statt einer Generation vereinsamter Einzelgänger hervorzubringen, die alleine vor ihren Computern hocken, habe die Computerisierung zu einem Social Networking geführt, das davor nicht vorstellbar gewesen sei, sinniert Parkes.

"Früher war es unschuldiger"

Nicht gerechnet habe man damals mit der Macht der Hacker. Die Hackerszene hat sich seit dem Erscheinen des Films allerdings ebenfalls drastisch verändert. "Es war ein cooles Skript und Lightman wurde zum Helden. Er machte das aus Spaß", so Mitnick gegenüber Wired. Heute sei nicht mehr der Spaß die Antriebskraft. "Ich war ein Old-School-Hacker, um der Neugier willen. Das war noch unschuldiger." Der Kalte Krieg ist mittlerweile vorüber, die WarGames toben nun im Cyberspace. (br)