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Luisa Kasalicky im Förderatelier des Bundes in der Westbahnstraße in Wien, das sie im Mai 2008 bezogen hat.

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Geometrische Formen aus alltäglichem Material: Ausstellungsansichten von Luisa Kasalickys Arbeiten.

Foto: Kasalicky
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Collagierte Erzählungen durch Ausschussware: Detailansichten von Luisa Kasalickys Arbeiten.

Foto: Kasalicky
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Die Künstlerin bei der Installation ihrer Arbeit "Im guten Zustand" und Ausstellungsansicht von "Erzählungen -35/65+" im Kunsthaus Graz.

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So stellt man sich ein Atelier vor: Ein großzügiger Raum im obersten Stock eines feudalen Jugendstilbaus, der seine besten Tage zwar bereits hinter sich hat aber genau deswegen so charmant wirkt, dazu eine Fensterfront aus Glaskacheln, über die man einen improvisierten Dachgarten erreicht und jede Menge Arbeitsmaterial am Boden. Seit Mai 2008 arbeitet Luisa Kasalicky in ihrem neuen Atelier in der Westbahnstraße in Wien, das ihr vom Bund als eines von drei Förderateliers bis 2012 zur Verfügung gestellt wird.

Vielschichtige Collagen

"Der Raum ist noch nicht ganz eingearbeitet", sagt die junge Malerin, die gerne mit Versatzstücken nicht mehr benötigter Rohmaterialen der Alltagskultur arbeitet und dementsprechend viele Baustoffe und Schachteln in ihrem Atelier lagert. In der Wiener Schmalzhofgasse, ihrem letzten - selbst finanzierten - Raum hatte sie bereits eine Ordnung gefunden, in der sie ihre vielschichtigen, dreidimensionalen Collagen anfertigen konnte: "Das neue Atelier braucht aber noch ein bisschen." Zunächst wird einmal ein großes Regal gekauft, um alles zu verstauen, was so herumliegt - sie braucht Platz zum Arbeiten.

Um ihre Installationen und Bilder zu collagieren, verwendet Luisa Kasalicky handelsübliche Materialien wie Fliesen, Linoleum, Dämmstoffe, Teppichreste und Karton. Als Malerin hat sie begonnen mit Acryl-, Tempera- und Ölfarbe zu arbeiten, heute sucht sie ihre Stoffe, die häufig als Ausschussware in Baumärkten geführt werden, ganz bewusst nach ihrer Farbe, Textur und Materialität aus. Zuletzt hat sie sich mit quadratischen Styroporplatten eingedeckt, deren Relief dem eines Raufaserputzes für Plafonds ähneln soll: "Das erinnert mich an die Pinselstrichserien von Roy Lichtenstein." Ein Beisatz: Die Platten sind beim Baumarkt jetzt nicht mehr erhältlich, die Produktion wurde eingestellt.

Assoziationsketten

In ihren Arbeiten, die nicht nur auf einer Leinwand sondern auch direkt im jeweiligen Raum und in zahlreichen Schichten appliziert werden, wertet sie das bescheidene Material auf. Die daraus entstehenden geometrischen Anordnungen und das Spiel mit der Perspektive evozieren beim Betrachter Erinnerungen an ganz persönliche und gleichzeitig x-beliebige Wohnumgebungen aus den 1970er und 1980er Jahren. "Ich mag es, wenn Dinge, die sonst versteckt sind, sichtbar werden", behauptet die in der damaligen Tschechoslowakei geborene Künstlerin. Die rosafarbenen Dämmplatten, der freiliegende Fliesenkleber und die skizzenhaften grafischen Elemente wirken "unfertig" und öffnen den Geist für Assoziationsketten. Luisa war gerade zehn Jahre alt, als sie mit ihrer Familie in Österreich angekommen ist. In ihren Erinnerungen gibt es Lücken, von denen sie nicht genau weiß, ob sie in ihren Installationen eine Rolle spielen.

Erzählende Malerei

Luisa Kasalicky spielt eindeutig mit der Sprache des Minimalismus, möchte aber nicht ausschließlich auf diese reduziert werden: Die geometrischen Formen, seriellen Wiederholungen und der Einsatz handelsüblicher Produkte, die an Arte Povera denken lassen, erweitert sie durch erzählerische Nuancen. Hin und wieder kann man sogar Andeutungen konkreter Gegenstände finden. "Manche meiner Objekte haben irgendwie menschliche Attribute." Auch wenn sie sich nicht als narrative Malerin bezeichnen würde, denn "das ist zu viel", so sieht sie sich dennoch als Erzählerin. Nichts liegt also näher, als dass eine ihrer Installationen bei der Ausstellung "Erzählungen -35/65+" im Kunsthaus Graz (2006/2007) gezeigt wurde, wo sie die Außenfassade und das Innere eines im Ausstellungsraum aufgestellten Einfamilienhauses bearbeiten konnte. In einem Text zur Ausstellung heißt es über ihre Arbeit: "Der Charakter der Unabgeschlossenheit und des labilen Gleichgewichts wird durch die Tatsache ergänzt, dass ihre Installationen teilweise verändert, auseinandergenommen, erweitert und, an den jeweiligen Raum adaptiert, neu zusammengesetzt werden."

Beeinflusst wurde Luisa Kasalicky unter anderem von KünstlerInnen wie etwa Kurt Schwitters, Frank Stella oder Jessica Stockholder. Ihren Arbeitsprozess und ihre Formensprache beschreibt sie wie die eines Bauarbeiters, der Schritt für Schritt vorgeht und eine Schicht nach der anderen aufträgt: "Ich habe auch schon mit Bauarbeitern zusammengearbeitet. Willi zum Beispiel, den ich auf einer Bausstelle kennen gelernt habe, ist mittlerweile ein Freund geworden." Im Unterschied zur Arbeit Willis geht es ihr aber nicht darum funktionsfähige Objekte zu schaffen, sondern um eine Art Ästhetisierung des Alltagslebens.

Raum auf Zeit

Im Moment arbeitet Luisa als Assistentin von Xenia Hausner an der Sommerakademie für bildende Kunst in Salzburg. Im Herbst und Winter wird sie bei der Viennabiennale 08 vertreten sein und zwei Einzelausstellungen im Austrian Cultural Forum in London und in der Startgalerie des Wiener Museums auf Abruf bespielen. Nicht nur Luisas künstlerische Arbeit trägt eine stark zeit-, raum- und kontextbezogene Komponente in sich. In den vergangenen zwei Jahren hat sie gemeinsam mit Christoph Holzeis, Birgit Knoechl, Rainer Spangl und Nicole Miltner - KollegInnen aus ihrer Ateliergemeinschaft in der Schmalzhofgasse - den swingr - raum auf zeit betrieben. Dort wurden im wöchentlich wechselnden Rhytmus junge KünstlerInnen ausgestellt, die sich auf unterschiedliche Weise mit den leer stehenden Räumlichkeiten in einem Hinterhof auseinandersetzten. Ein Text im Katalog dieses Off-Spaces stellt folgende Vermutung an: "Es ist wahrscheinlich, dass das Aufladen eines Raums mit rasch wechselnden Energien einen Fluß in Gang setzen könnte, der die Erweiterung/Verbreitung des menschlichen Bewußtseins unterstützen mag." Als ähnlich aufgeladen kann man auch Luisas Arbeit bezeichnen. (fair, derStandard.at, 28.07.2008)