Foto: Reuters//Alessandro Bianchi

Unter Freunden: Wladimir Putin und Silvio Berlusconi.

Es war ein vergnüglicher Abend: Die Herren unterhielten sich angeregt über Tänzerinnen und Kabarettprogramm, dann zogen sie sich diskret in einen Salon der Villa in Porto Rotondo zurück. Sivio Berlusconi, der kurz vor diesem trüben Tag im April 2008 die italienischen Wahlen gewonnen hatte, war auf die internationale Bühne zurückgekehrt. Wladimir Putin, damals noch russischer Präsident, erwies dem Cavaliere quasi als erster Staatsgast an der Costa Smeralda die Ehre - die alte Achse zwischen Moskau und Rom hatte ihr fideles Führungsduo zurück.

Russland und Italien pflegen schon seit Jahrzehnten prächtige Beziehungen. Benito Mussolini erklärte in den 1920er-Jahren: "Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist exzellent." Nach dem Krieg hielten die moskautreuen italienischen Kommunisten, stets die größte kommunistische Partei im freien Europa, einen guten Draht zu den Sowjets. Palmiro Togliatti, kommunistischer Parteisekretär in den 1950er-Jahren, lobte Stalin als "Geistestitan". Im nach ihm benannten Togliattigrad konnte die Fiat dafür mit Lada an Autos schrauben.

Heute haben sich die Kommunisten in Italien selbst beinahe zum historischen Phänomen gemacht, und statt Peppone spitzt Berlusconi nach Moskau. Italien ist nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner der Russen in Europa (Handelsvolumen 2006: 24 Milliarden Euro). Es gibt Kooperationen im Rüstungssektor (Finmecchanica und Suchoi arbeiten an einem Flugzeugprojekt) oder im Automobilbau (Fiat und Severstal). Solide Basis dieser Beziehungen allerdings ist Energie, Energie und noch einmal Energie.

Genau dieses Thema hatten die beiden Herren in Porto Rotondo zu bereden. Überlegungen der EU zur künftigen Partnerschaft mit Russland und eine gemeinsame EU-Energiepolitik waren Berlusconi und erst recht Putin dabei herzlich gleichgültig. Es ging beinhart um nationale Erwägungen und gemeinsame Interessen.

Ein Fokus dieser Interessenskonvergenz ist Libyen: Italien bezieht einen Gutteil seines Energiebedarfs über eine unterseeische Gas-Pipeline aus dem nordafrikanischen Land. Eine zweite Röhre ist derzeit im Bau, mithilfe russischer Unternehmen. Der Energieriese Gasprom kündigte vor wenigen Wochen an, alle anderen für den Export bestimmten Öl- und Gasfördervolumina aufzukaufen und - über die Italien-Pipelines - weiterzuvermarkten. Die EU wäre damit von einem wichtigen alternativen Energielieferanten abgeschnitten, befürchten Rohstoffexperten - mit einer Ausnahme: Italien.

Die russisch-italienische Energiekooperation erstreckt sich auch auf "South Stream", die Konkurrenz-Pipeline der von der OMV forcierten Nabucco-Röhre. Der teilstaatliche italienische Energiekonzern ENI ist federführend an der "South Stream" beteiligt, die Gas vom Kaspischen Meer über Bulgarien nach Zentraleuropa bringen soll. Im Juni erhielt außerdem die ENI-Tochter Saipem einen Milliardenauftrag für die Trassenverlegung der russischen "North Stream"-Pipeline durch die Ostsee.

Vor wenigen Wochen schließlich hat ENI als erstes europäisches Energieunternehmen direkten Zugang zum russischen Endverbrauchermarkt bekommen. Gasprom hat mit ENI schon 2006 ein Abkommen geschlossen, das dem Gasgiganten seinerseits Zugang zu italienischen Konsumenten erlaubt - eine Entwicklung, die in Brüssel mit großer Skepsis beobachtet wird.

Berlusconi ist das einerlei. Schon in seinen fünf Regierungsjahren zwischen 2001 und 2006 kannte er keinen Genierer, wenn die Agenda auf Russland kam: Eine seiner letzten Großtaten als Premier damals war ein gemeinsames Protokoll zur Bekämpfung von Korruption und Kriminalität - auf neue Höhen dieser Kooperation darf man gespannt sein.  (Christoph PrantnerDER STANDARD, Printausgabe, 24.7.2008)