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"Vertrauen Sie uns Ihre Gesundheit an, damit Sie die Hürden des Lebens leichter meistern können": Karadžic, über Jahre einer der meist-gesuchten Kriegsverbrecher der Welt, präsentierte sich als Menschenfreund. Helfen wollte er auch durch "heilende" Amulette.

Haben Sie sexuelle Probleme? Leiden Sie unter Depression? Wollen Sie jünger und schöner aussehen? Alle diese Probleme können durch die Methode der Human Quantum Energie HQE gelöst werden - so steht es auf der Website psy-help-energy.com. Das Altern könne aufgehalten, die Jugend verlängert, die Frische des Körpers und des Gesichts erhalten werden, verspricht das "David Wellbeing Programm" . Und vieles mehr, wie zum Beispiel ein Heilverfahren für Epilepsie, Asthma oder Multiple Sklerose. "Auf Krankheit soll man nicht warten, vertrauen Sie uns Ihre Gesundheit an, damit Sie die Hürden des Lebens leichter meistern können", wirbt David für seine bioenergetische Behandlungsweise.

So einige Patienten suchten die Heilung in der alternativen Medizin und ließen sich von Dr. Dragan David Dabic in einer privaten Praxis in Belgrad behandeln - und hatten keine Ahnung, dass sie es mit Radovan Karadžic zu tun hatten. Dem Kriegsherrn der bosnischen Serben, dem Mann, der wegen einiger der schlimmsten Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg, unter anderem dem Genozid an Muslimen in Srebrenica, steckbrieflich vom UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag gesucht wurde - dem Mann, für dessen Festnahme ein Preisgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt worden war.

Der menschliche Organismus stehe unter dem Einfluss verschiedener Energiequellen, wie der kosmischen, Quantum oder der Energie des Heiligen Geistes, ließ der falsche Gesundheitsapostel über seine Website wissen. Die Balance dieser Energien sei die Voraussetzung der Gesundheit. Zwei Handynummern und die E-Mail-Adresse dddavid@Gmail.com werden angegeben, unter denen man Dr. Dabic erreichen und auch "heilende" Amulette bestellen konnte.

Während ihn die ganze Welt suchte, lebte Karadžic in Belgrad, praktizierte Medizin, hielt Vorträge und schrieb mehr als ein Jahr lang für die Zeitschrift Zdrav Život (Gesundes Leben). "Es ist mir nicht im Traum eingefallen, dass vor mir Radovan Karadžic sitzt" , erzählt Chefredakteur Goran Kojic. Er beschreibt Dr. Dabic als einen ungewöhnlich höflichen, angenehmen und redegewandten Mann mit Sinn für Humor.

Sein Aussehen sei "eigenartig" gewesen, räumt der Journalist ein, er hatte langes weißes zum Zopf gebundenes Haar, einen langen grauen Bart und Brille. Der sehr magere Mann habe positive Energie und heitere Stimmung ausgestrahlt, meint Kojic. In die Redaktion sei er mehrmals mit einer "ausgesprochen schönen Frau" gekommen. Noch im Juni hatte Dabic einen Text unter dem Titel "Glauben Sie an die Welt oberhalb der Sinne" veröffentlicht, in dem er über der Vorzüge von Meditation und Gebeten schreibt. Für die Artikel hatte er keine Honorare bekommen.

Im Ausland und geschieden

Dabic alias Karadžic hatte sich als ein Flüchtling aus Kroatien vorgestellt. In Belgrad erzählte er, dass er Neuropsychiater sei - was stimmt -, dass er einige Jahre in den USA gelebt habe, geschieden sei und alle seine Diplome bei seiner Frau geblieben seien. Er bewege sich im Kreis von Ärzten, die sich mit alternativer Medizin beschäftigen. Die Geschichte klang wohl so überzeugend, dass niemand hinter dem "gutmütigen" und etwas komischen Dabic, der eine "spezifische geistige Tiefe" ausstrahlte, wie ihn Leute beschrieben, den serbischen Herrscher über Leben und Tod in Bosnien vermutete.

Während die Sicherheitsdienste vieler Länder Jagd auf Karadžic machten und von mehreren Dutzend schwer bewaffneten Leibwächtern, die bereit seien, das Leben für Radovan zu opfern, die Rede war, lebte Dabic allein als Untermieter in Belgrad, wechselte oft die Wohnung und fuhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Seine Nachbarn, Patienten, Kollegen sahen in ihm einen sympathischen Mann, der sich für alternative Medizin begeisterte.

Dabic hielt Vorträge und nahm an Diskussionen über Bioenergie in ganz Serbien teil. Zum letzten Mal im Mai in Belgrad, bei einer dem gesunden Leben gewidmeten Veranstaltung. Man erinnert sich an seine auffällige Erscheinung, er soll meistens in Schwarz gekleidet, gelassen und sehr redefreudig gewesen.
Karadžic war in seinem früheren Leben ein passionierter Pokerspieler. Psychologen meinen, dass er als Spieler einen Genuss empfunden haben musste, während er sich in der Öffentlichkeit zeigte und statt Geld seine Freiheit riskierte.

Auf seiner Website sagt Dr. Dabic: "Sie werden nie mehr allein und hilflos sein. Wir sind mit euch, alle unsere Experten, Mitglieder und Besucher. Es gibt keine ausweglosen Situationen." Diesen Rat wird Dr. Karadžic nun gut gebrauchen können. (Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 24.7.2008)