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Und ewig lockt die große Koalition: SPÖ-Chef und Kanzlerkandidat Werner Faymann will den Schüssel-Geist loswerden, die ÖVP aber behalten. Weil Rot-Schwarz "nicht per se schlecht ist."

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STANDARD: Die ÖVP beschuldigt Sie, in Wien „Ausländerghettos" gebaut zu haben. Was haben Sie falsch gemacht?

Faymann: Die ÖVP will an Gehässigkeit offenbar die FPÖ übertrumpfen. Dabei war es in Wien immer die Volkspartei, die den Gemeindebau noch früher für Zuwanderer öffnen wollte. Ich habe mich dann als Wohnbaustadtrat entschlossen, Notfallswohnungen für ausländische Mitbürger einzurichten, die diese dringend brauchen. Aber die meisten Bewohner in Gemeindebauten sind natürlich österreichische Staatsbürger.

STANDARD: Viele alteingesessene Baubewohner schimpfen trotzdem über „die Ausländer".

Faymann : Auf die Ängste der Leute, Wohnung und Arbeitsplatz zu verlieren, muss man eingehen. Aber nicht, indem man - wie ÖVP Generalsekretär Hannes Missethon - Gemeindebauten als Ghettos verunglimpft. Wien ist vielmehr ein Musterbeispiel für soziale Durchmischung.

STANDARD: Tatsächlich? In einigen Bezirken haben über 40 Prozent der Leute Migrationshintergrund. Wo ist da die Durchmischung?

Faymann : Wien hat ähnliche Sorgen wie andere Großstädte auch: Die Reichen ziehen sich in die besseren Wohnviertel zurück, den Armen bleiben die schlechteren. Wien kann soziale Probleme aber dennoch besser verteilen, weil die Stadt 220.000 eigene Gemeindewohnungen und mehr als 140.000 Genossenschaftswohnungen vergeben kann. Es ist ein historisches Verdienst, diese Wohnungen nie verkauft zu haben. Natürlich bleiben Sorgen, es gibt noch große Aufgaben: ein faireres Mietrecht, höhere Wohnbauförderung, mehr Stadterneuerung, um private Spekulation zu verhindern.

STANDARD: Entlang des Wiener Gürtels wohnen Zuwanderer immer noch in denselben heruntergekommenen Mietskasernen. Warum haben Sie dieses Übel nicht beseitigt?

Faymann : In meinen 13 Jahren als Stadtrat habe ich mehr als 100.000 Wohnungen in der Stadt sanieren lassen. Die größte Nachfrage für Förderungen gab es dabei zwei, drei Gassen hinter den Gürtelhäusern. Aus Spekulationsvierteln sind beliebte Wohngegenden geworden, viele junge Leute ziehen dorthin. Der Gürtel selbst ist wegen des Verkehrs dafür natürlich nicht so attraktiv, weshalb sich dort Zuwanderer mit weniger Geld konzentrieren. Ich wehre mich aber dagegen, im Sinne Missethons Quoten für Ausländer festzulegen und diese dann mit dem Bus in andere Viertel zu chauffieren.

STANDARD: Was bieten Sie einem alten Muaterl an, das seit 70 Jahren in einem Bezirk wie Rudolfsheim-Fünfhaus wohnt und sich nun wie eine Fremde fühlt?

Faymann : Dass zum Beispiel wieder mehr Polizisten auf der Straße stehen. Oft hilft ein subjektives Sicherheitsgefühl. Allein in Wien fehlen seit dem schwarz-blauen Sparkurs 1000 Polizisten. Es muss auch viel mehr Geld in die Sprachförderung fließen - die Kurse sind viel zu wenige und viel zu teuer. Ich denke an eine Verzehnfachung der Sprachförderung. Die Nöte nehme ich ernst, nur unterscheide ich zwischen der Großmutter, die mich anspricht und dem Herrn Missethon, der mit den Sorgen von Menschen politisches Kleingeld machen will. Es wird ihm nur wenig nützen, denn beim Gehässigsein sind ihm schon zwei andere Parteien überlegen.

STANDARD: Warum in aller Welt liebäugeln Sie nach den jüngsten schlechten Erfahrungen schon wieder mit einer großen Koalition?

Faymann : Weil eine große Koalition nicht per se schlecht ist. Das ist eine Frage der Personen. Leider hat der Schüssel-Geist auch ÖVP-Chef Wilhelm Molterer erfasst, der aus Prinzip bei vielem auf der Bremse steht. Die roten und schwarzen Landeshauptleute hingegen kooperieren sehr gut miteinander, auch ich mit meinem ÖVP-Regierungskollegen Josef Pröll ...

STANDARD: Pröll sagt doch selbst, es sei nichts weitergegangen.

Faymann : Davor hat er die Zusammenarbeit stets gelobt. Seit Molterer Neuwahlen vom Zaun gebrochen hat, sind die Kollegen von der ÖVP nicht mehr dieselben. Der Abgeordnete Günter Stummvoll hat mich bei meinem Antritt im Parlament noch als „hervorragenden Wohnbaustadtrat" gelobt. Worauf sein Parteifreund Martin Bartenstein gemurrt hat: „,Guter Wohnbaustadtrat hätt' auch genügt."

STANDARD: „Krone"-Herausgeber Hans Dichand hat öffentlich dementiert, dass Sie sein unehelicher Sohn sind. Waren Sie da nicht etwas verwundert?

Faymann : Das hat Dichand humorig gemeint, und ebenso hab ich das Ganze auch aufgefasst. Aber offenbar sorgt die Causa für Aufsehen. Ich würde mir wünschen, wenn wir mit unseren Ideen auch so viel Beachtung fänden wie Hans Dichand mit seiner Kolumne. (Gerlad John, DER STANDARD, Printausgabe, 24.7.2008)