Peking kurz vor Beginn der Olympischen Spiele: Schmutz auf allen Ober-flächen und vor allem in der Luft.

Illustration: DER STANDARD/Fatih

Dass bei den Olympischen Spielen in China Rekorde gebrochen werden, bezweifeln Wissenschafter um Giuseppe Lippi. Das italienische Forscherteam von der Universität Verona hat erst vor wenigen Wochen im International Journal of Sports Medicine Untersuchungsergebnisse veröffentlicht, wonach immer noch dicke Luft über dem Reich der Mitte liege. Insbesondere Peking zähle zu den am meisten luftverschmutzten Großstädten der Welt, was für die Gesundheit vor allem von Ausdauersportlern ein Risiko darstelle. Gravierend sei besonders die starke Belastung mit Kohlenstoffmonoxid, Ozon, Stickoxid, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Feinstaub.

Die italienischen Wissenschafter argumentieren, dass Olympioniken wie auch andere Sportler zwar generell eine meist bessere Kondition aufweisen als nichttrainierte Menschen, ihr Organismus aber gerade während der Anstrengungsphase in Wettkämpfen einen wesentlich höheren Stoffwechsel aufweise und damit auch wesentlich mehr an Schadstoffen aufnehme. Besonders durch die extrem schnelle und tiefe Atmung kämen etwa große Mengen an schädlichem Feinstaub ganz tief in die Alveolen der Luftwege.

Der Weltrekordhalter Haile Gebrselassie jedenfalls hat seine Teilnahme beim Olympia-Marathon in Peking bereits abgesagt. Die Luftverschmutzung gefährde seine Gesundheit, und es falle ihm schwer, 42 Kilometer zu laufen, sagte der Äthiopier. Gebrselassie will stattdessen nur über die Distanz von 10.000 Metern antreten. Auch Sportmediziner des Olympischen Komitees äußern immer mehr Bedenken. Nicht zuletzt aufgrund jüngster Studien- und Messergebnisse.

Multiples Gesundheitsrisiko

Dass Luftschadstoffe nicht nur den Atemorganen zu schaffen machen, zeigte jüngst eine Untersuchung von Freizeitjoggern in Los Angeles. Durch den Verkehrsdreck bekamen die Läufer häufiger Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Arteriosklerose oder Bluthochdruck und erlitten öfter Herzinfarkte als andere in der Kontrollgruppe.

Und wie sieht es mit der Luftgüte in China nun tatsächlich aus? Einem Bericht des UN-Entwicklungsprogramms Unep zufolge beträgt der jährliche Feinstaub-Mittelwert in Peking 141 bis 166 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Laut Weltgesundheitsorganisation stellen bereits Werte über 20 Mikrogramm eine Strapaze für das Herz-Kreislauf-System und die Atmung dar. 50 Mikrogramm pro Kubikmeter empfiehlt die EU als Grenzwert, der nicht mehr als 35-mal pro Jahr überschritten werden dürfe. In China hingegen gilt alles bis 100 Mikrogramm als "gut". Europäische Messdaten widersprechen jedenfalls dem Versprechen der chinesischen Behörden - die von einer nachhaltigen Verbesserung der Luftgüte reden -, das diese bei der Bewerbung um den Austragungsort der Spiele vor Jahren gegeben haben: grüne Spiele unter blauem Himmel.

An Letzterem wird schon seit rund 30 Jahren gebastelt. So lange befassen sich wissenschaftliche Institute und Behörden in China mit der Beeinflussung des Wetters. Dutzende Studien über die erfolgreiche Herbeiführung künstlichen Regens seien schon angestellt worden, keine davon wurde jedoch in einem internationalen Fachmagazin publiziert. Das britische Wissenschaftsjournal Nature widmete sich dennoch vor wenigen Wochen den chinesischen Regentänzen, die primär mittels Flugzeugen aufgeführt würden. Umgerechnet bis zu 60 Millionen Euro jährlich sollen in entsprechende Forschungsprogramme fließen, 32.000 Menschen darin beschäftigt und 35 Wetterflugzeuge dafür einsatzbereit sein, schrieb das Journal.

Mittels Impfen, dem "cloud seeding", seien bis zu 20 Prozent mehr Niederschläge zu erzielen. 30 Milliarden Tonnen Regen sollen in den vergangenen Jahren so hergestellt worden sein. Bei dieser auch in Österreich weitverbreiteten Methode werden Wolken mit Silberjodid behandelt, was zu einem Abregnen führen kann. Vorrangiges Ziel der diesbezüglichen chinesischen Forschungen sei die Anwendung der Methode für die Landwirtschaft: Derart könnten punktgenau Niederschläge auf Nutzungsflächen treffen beziehungsweise durch vorzeitiges Abregnen andere Flächen trockengehalten werden. 1,3 Milliarden Menschen wollen ernährt werden.

Versilberte Wolken

Chinesische Meteorologen haben für den 8. August, für die Eröffnung der Spiele im nicht überdachten Pekinger Stadion, eine Regenwahrscheinlichkeit von 47 Prozent prophezeit. Für den versprochenen blauen Himmel wird wohl tonnenweise Silberjodid rund um Peking in die ohnedies schon verseuchte Luft geblasen werden. Diese wiederum wollen die Behörden durch restriktive Maßnahmen säubern: Seit dieser Woche dürfen nur noch die Hälfte der Autos fahren: einen Tag jene mit geraden Kennzeichen, am anderen jene mit ungeraden. Auch sollen Arbeitszeiten während der Spiele verkürzt werden, um den Verkehr zusätzlich zu entlasten. Falls möglich, sollen Mitarbeiter zu Hause arbeiten oder überhaupt Urlaub nehmen - eine Maßnahme, die bereits während der Sommerspiele 1984 in Los Angeles erfolgreich von den USA umgesetzt wurde.

Darüber hinaus wurden 1100 Unternehmen im Umkreis Pekings angewiesen, ab sofort die Produktion bis Ende September einzustellen. Ob diese Maßnahmen die Luftgüte auf ein risikoloses Niveau senken können, wird jedoch von europäischen Wissenschaftern bezweifelt. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 23.7.2008)