Handauflegen gegen Brustkrebs - der "Wunderheiler" Leonhard Hochenegg steht vor Gericht.

Foto: Standard/Andy Urban

Die Diagnose "Brustkrebs" habe die Patientin von ihm nicht hören wollen, sie wollte "Kräuter, Spritzen und Handauflegen".

Innsbruck – Mehr als zwei Jahre sind seit der ersten Hauptverhandlung am Innsbrucker Landesgericht vergangen. Die Anklage gegen Leonhard Hochenegg lautet auf "fahrlässige, schwere Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen an zwei Patientinnen".

Die Verteidigerin wollte die Verhandlung am Dienstag eigentlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen. Ihr Mandant habe sich einer Nierenoperation unterziehen müssen, womit für ihn ein "erhöhtes Infektionsrisiko" gegeben sei. Der Richter gab dem Antrag aber nicht statt, er bestand auf eine öffentliche Verhandlung.

"Können Sie sich erinnern?", fragte der Richter zu Prozessbeginn eindringlich. Vor ihm saß, im Neubau, Verhandlungssaal 217, der "Wunderheiler". Hochenegg ist mittlerweile ein älterer Herr, die Brille auf die Stirn geschoben, die Hose fleckig, den linken Schuh nicht ganz angezogen. Mit leiser Stimme antwortete er: Ja, er könne sich erinnern. Bereits 1999 sei die Patientin zu ihm in die Ordination in Hall gekommen. "Warum haben sie ihr nicht gesagt, dass sie Brustkrebs hat?", fragte der Richter verwundert und hielt einen Zettel als Beweismittel in Richtung des Angeklagten. Darauf eine Diagnose, so las der Richter vor, und zwar "Mastopathie", was eine "zumeist nicht bösartige gewebliche Veränderung der Brust ist", erklärte der Richter für alle Nicht-Mediziner im Saal: Lediglich die Differentialdiagnose habe auf "Brustkrebs mit Fragezeichen" gelautet.

Die Patientin habe nichts von Brustkrebs hören wollen, betonte Hochenegg vor Gericht. Sie habe sich "ihre eigene Meinung gebildet", erinnerte er sich zurück ins Jahr 1999. Im Krankenhaus werde immer nur vom Tod und vom Sterben geredet, habe sie ihm erzählt. Daher habe sie jede "chirurgische Intervention" abgelehnt. "Was haben Sie ihr dann verschrieben?", wollte der Richter wissen. "Naturheilmittel, alles was damals so gängig war: Kräuter, Salben, Tropfen", berichtete der Angeklagte über seine Behandlungsmethode.

Ob das denn ein probates Mittel gewesen sei, um Brustkrebs zu behandeln, wollte der Richter verstehen. Leonhard Hochenegg gab durchaus zu, dass bei Brustkrebs "chirurgische und gynäkologische Untersuchungen" zu machen seien und dass das sein Fachgebiet bei Weitem "überschreite". Der Richter führte zudem immer wieder aus, dass Hochenegg der Patientin Hoffnung gemacht habe, wo keine mehr war. Der Angeklagte bestand aber darauf, dass die Patientin sich dies alles damals "eingeredet" habe. Auch wer die Krebspatientin damals in der Haller Arztpraxis wirklich behandelte, blieb in der Verhandlung am Dienstag unklar. Hochenegg selbst könne es zumindest seit dem Jahr 2000 nicht gewesen sein, denn seit damals habe er "Berufsverbot", er habe nur mehr "gepflegt". Es dürften also seine Kollegen aus der Praxis gewesen sein. Einer der beiden sei, so der Richter, mittlerweile verstorben. Extra aus Süddeutschland angereist ist Frau Angela. Sie steht zu den Praktiken des Wunderheilers. "Er hat meinen Vater vom Darmkrebs geheilt", sagte sie stolz zum Richter. Weitere solche Zeugen will die Verteidigung zur nächsten Verhandlungsrunde bitten. Ob es diese geben wird, war für die Verteidigung wegen Hocheneggs Gesundheitszustand nicht sicher. (Verena Langegger, DER STANDARD – Printausgabe, 23. Juli 2008)