Graz - Über das, was sich in jener fatalen Nacht 1912 auf der Titanic zutrug, sind wir ziemlich genau informiert. In der Luxusklasse wurde gerade gespeist, als der Luxusdampfer mit einem 300.000-Tonnen-Eisgebilde kollidierte. Die Empfehlung zum Anlegen von Rettungswesten wurde von vielen Reisenden der Luxusklasse als übertrieben angesehen, doch spätestens nach der Mitteilung, man möge sich bitte mit dem Gedanken anfreunden, das Schiff baldigst zu verlassen, dürfte auch dem letzten Ungläubigen im Ritz-Restaurant etwas gedämmert haben. Knapp zwei Stunden später lag die Titanic in 4000 Meter Tiefe, mit ihr über 1500 Passagiere.

Die Passion für diese Katastrophe treibt mittlerweile seltsame Blüten. Persönliche Wertgegenstände, aus dem Wrack geborgen, erzielten auf dem Schwarzmarkt Höchstpreise. Und als sogar _Taucherlebnis-Fahrten angeboten wurden, empörte sich eine gewisse Millvina Dean zurecht. Ob sich die 96-Jährige als letzte Überlebende bei dem in der Seifenfabrik stattgefundenen Nostalgie-Abend wohl gefühlt hätte, ist zu bezweifeln. Und die Frage sei gestattet, ob sich die „styriarte" auf dem richtigen Dampfer befand, als sie - wie Veranstalter weltweit - die Idee eines „last evening" auf der Titanic adaptierte; Versuche mit atmosphärischen Reinszenierungen solcher Art müssen aufgrund ihres maka_bren Hintergrunds baden gehen.

Und gegen den bitteren Nachgeschmack kann auch eine feinst kreierte Haubenkoch-Kulinarik nicht ankommen. Wirkliche wehmütige Nostalgie versprühte nur das hervorragende Girardi Ensemble mit Kostproben damaliger Ohrwürmer. Überliefert ist ja, dass die Musiker der Titanic bis zuletzt nicht aufhörten zu spielen und sich weigerten, die Rettungsboote zu besteigen. Ob das Publikum nach dem Waldorf-Pudding noch einen Gedanken an diese Gentleman der Titanic verschwendete, darf bezweifelt werden. (Peter Stalder/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 7. 2008)