Guantanamo - Der Richter im ersten US-Kriegsverbrecherprozess seit dem Zweiten Weltkrieg hat Beweismittel gegen den Angeklagten Salim Hamdan, einen ehemaligen Fahrer Osama bin Ladens, zurückgewiesen. Dieser sei in Afghanistan nach seiner Festnahme "höchst zwanghaften" Bedingungen unterworfen gewesen. Militärrichter Keith Allred ließ der Anklage beim Prozessauftakt am Montag (Ortszeit) auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba aber die Möglichkeit, Aussagen zu verwenden, die Hamdan in dem dortigen Gefangenenlager gemacht hat. Diese sollen aber laut Hamdans Verteidigung unter Druckmitteln wie Schlafentzug und Einzelhaft zustande gekommen sein.

Der Jemenit hatte zum Auftakt die Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen und auf nicht schuldig plädiert. Sollte er wegen Verschwörung und Beihilfe zum Terrorismus verurteilt werden, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Der Prozess dauert voraussichtlich drei bis vier Wochen.

Ermittler sollen über medizinische Versorgung entschieden haben

Richter Allred wies aber Anschuldigungen zurück, in Guantanamo habe eine Kultur des Zwangs geherrscht. Hamdan hatte unter anderem ausgesagt, die Leute, die ihn befragt hätten, hätten auch über seinen Zugang zu ärztlicher Behandlung entschieden. Der Zusammenhang zwischen medizinischer Versorgung und Hamdans Zusammenarbeit mit den Ermittlern sei "die natürliche Folge, wenn Agenten die Hilfe von Insassen suchen, um eine Verbindung aufzubauen", sagte Allred. Der Richter gab den Anwälten Zeit, um rund 600 Seiten Haftakten durchzusehen, die die Regierung erst am Sonntag bereitgestellt hatte.

22 Personen für den Zeugenstand vorgesehen

Hamdan wurde im November 2001 an einer Straßensperre in Afghanistan festgenommen und rund ein halbes Jahr später ins Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba gebracht. Ihm wird vorgeworfen, Bin Laden dabei geholfen zu haben, sich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 dem Zugriff der US-Behörden zu entziehen.

Die Anklage will 22 Personen in den Zeugenstand rufen. Der vom Pentagon eingesetzte Verteidiger, Korvettenkapitän Brian Mizer, bemüht sich um Zugang zu drei ranghohen mutmaßlichen Al-Kaida-Mitgliedern, die in Guantanamo inhaftiert sind, darunter Khalid Sheikh Mohammed, der als Drahtzieher der Terroranschläge gilt. Deren Aussage werde zeigen, dass Hamdan lediglich ein rangniederer Beschäftigter von Bin Ladens Fuhrpark gewesen sei, erklärte Mizer.

80 Häftlinge vor dem Militärtribunal

Das Verfahren begann am Montag mit der Auswahl der Geschworenen. Als potenzielle Jury-Mitglieder ließ das Pentagon 13 Offiziere nach Guantanamo fliegen. Aus ihren Reihen wurden sechs Offiziere und eine Ersatzperson ausgewählt. Der 37-jährige Hamdan ist unter anderem wegen Verschwörung und Unterstützung des Terrorismus angeklagt.

Die Ankläger planen für die kommenden Monate Prozesse gegen 20 Guantanamo-Insassen - darunter fünf Männer, die unmittelbar an der Planung der Anschläge vom 11. September 2001 beteiligt gewesen sein sollen. Diese wurden erst 2006 aus geheimen Gefängnissen der CIA nach Guantanamo verlegt. Letztlich sollen etwa 80 Häftlinge vor das Militärtribunal gebracht werden.

Derzeit sind noch rund 265 Gefangene in dem US-Lager auf Kuba als "feindliche Kämpfer" inhaftiert, die im "Krieg gegen den Terror" festgenommen wurden. Die meisten von ihnen werden bereits seit Jahren ohne Anklage festgehalten, viele von ihnen haben angegeben, misshandelt worden zu sein. Ein US-Bundesrichter will noch heuer über die Klagen von 35 Guantanamo-Häftlingen auf ihre Freilassung entscheiden. Das Oberste US-Gericht hatte im vergangenen Monat in einer Grundsatzentscheidung geurteilt, dass die Guantanamo-Insassen das Recht haben, ihre Inhaftierung vor Bundesgerichten anzufechten. Sowohl der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain als auch sein demokratischer Rivale Barack Obama haben angekündigt, das Lager im Falle ihrer Wahl zu schließen. (APA)