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Das Voglenest wird streng bewacht.

Foto: Reuters/Whiteside

Zeitungen, die Webseiten der Regierung und chinesische Blogs beantworten "Fragen, auf deren Antworten wir warten", zu den Olympischen Spielen. der Standard fügt hinzu, was Chinas Medien nicht ansprechen.

  • Was passiert zur Eröffnung?

Nur zehn Personen neben Starregisseur Zhang Yimou, der die Gesamtplanung der Gala verantwortet, wissen darüber Bescheid. Die 30.000 Statisten und Komparsen im hermetisch abgesperrten Nationalstadion kennen nur ihre Rolle und sind zum Stillschweigen verpflichtet worden. Die Einzelheiten der Show werden wie Staatsgeheimnisse behandelt. Auf Verrat drohen bis zu sieben Jahre Haft.

Neben dem Einmarsch der über 10.000 Athleten besteht der Hauptteil aus einer 50-minütigen Gala. Nach Auskunft Zhang Yimous soll sie "5000 Jahre der chinesischen Geschichte" und den Aufbruch seines Landes in die Moderne und in die Welt widerspiegeln. Zhang Yimous Vorlage soll eine altchinesische Fabel über die "Rückkehr des Phönix in sein Nest" sein. Im chinesischen Altertum galt der Phönix als König aller Vögel, der nur in ein Land kommt, dass sich friedlich, reich und hochzivilisiert entwickelt. Zeitungen wie die Lanzhou Daily enthüllten, dass Zhang ein Potpourri an Tänzen und Liedern der Minderheiten vorbereitet, auch mit Folkloregruppen aus Tibet.

  • Wer entzündet das Feuer?

Die Antwort ist noch Staatsgeheimnis. Nach Online-Umfragen würden 52 Prozent den Hürdenläufer Liu Xiang am liebsten in dieser Rolle sehen. Der Ex-Weltrekordhalter im 110 Meter Hürdenlauf hat aber bereits die Fackel in Peking getragen, als sie aus Athen eintraf. Die Wetter setzen auf den NBA-Spieler und 2,26 Meter großen Basketballhünen Yao Ming. Das Internetpublikum wünscht sich aber auch ein Kind aus dem Erdbebengebiet Sichuan.

  • Wie viele Staatsführer kommen zur Eröffnung?

Von China bestätigt wurde die Teilnahme des US-Präsidenten George W. Bush, von Japans Premier Yasuo Fukuda, Südkoreas Präsident Lee Myung-bak und Frankreichs Nicolas Sarkozy. Anfang Juli berichteten Zeitungen von über 80 Regierungschefs und Präsidenten, die zugesagt haben. Ebenso jetten mehrere Dutzend internationale Wirtschaftsführer und Vorstandschefs multinationaler Konzerne nach Peking. Der deutsche Altbundeskanzler Gerhard Schröder gab bekannt, er selbst sei zur Eröffnung eingeladen worden und werde teilnehmen. Angela Merkel hat schon vor Wochen Chinas Führung mitgeteilt, wegen anderer Verpflichtungen nicht teilzunehmen, aber den Spielen Erfolg zu wünschen.

  • Wie sicher sind die Olympischen Spiele vor Terroranschlägen?

Mit über 100.000 Sicherheitskräften wachen doppelt so viele Polizisten als 2004 in Athen (53.000) über die Gäste bei der Eröffnungsveranstaltung. Der Flugverkehr mit den Pekinger Flughäfen wird zwischen 19.59 Uhr und Mitternacht eingestellt. Mit drei Kontrollgürteln in und um Peking überwacht die Polizei alle einfahrenden Autos. Polizei-Vizeminister Meng Hongwei nennt drei Bedrohungsszenarien: Anschläge internationaler Terroristen, der islamistischen Befreiungsbewegung "Ost Turkistan" und "Verbrecherbanden aller Art".

Li Wei, Direktor am Institut für internationale Beziehungen, identifiziert weitere Gefahren durch "tibetische Unabhängigkeitskräfte" und die Meditationssekte Falun Gong. Sondereinheiten der Land- und Luftstreitkräfte sowie der Marine aus vier der sieben Militärbezirke wurden mobilisiert. Luftabwehreinheiten, Brückenbaupioniere, Strahlenschutzverbände und Spezialtruppen gegen Chemie- und Biowaffen sind in Peking aufgestellt. Die Behörden werden von Interpol und FBI unterstützt und profitieren von Antiterrorerfahrungen in den USA, Israel, England, Frankreich, Deutschland, Russland und Griechenland.

  • Wie wirken sich die Maßnahmen auf das Alltagsleben aus?

 

Die Bauernmärkte sind geschlossen, Gemüsepreise haben sich verteuert, zehntausende Pekinger Familien müssen ohne ihre Haushaltshilfen auskommen - meist Mädchen vom Lande -, die für die Zeit der Spiele nach Hause geschickt wurden. Das Regierungsportal www.china.org schreibt, dass die gerade an Sommerabenden sonst so beliebten Imbissstände für Grillspieße, eine Delikatesse der Pekinger, aus dem Stadtbild verschwunden sind. Die Stadtregierung hat sie aus Gründen der Lebensmittelhygiene und der Sauberkeit der Straßen verboten. Nicht geschrieben wird, dass fast alle Spießverkäufer aus Xinjiang kommen und als Uighuren unter Generalverdacht stehen.

  • Wie reagiert der Volksmund?

Ironisch schreibt www.china.org: "Völlig unerwartet wurden für die Zeit der Spiele alle öffentlichen Toiletten in Peking mit Papier, Seife und Handtücher ausgestattet." In Internetportalen macht ein Wortspiel die Runde: "Nimmst du die Anti-Baby-Pille ('biyun'), oder willst du lieber schwanger werden ('shouyun')?" "Biyun" bedeutet mit anderen Schriftzeichen geschrieben "sich den olympischen Spielen entziehen". Der Begriff "shouyun" bedeutet "die Spiele über sich ergehen lassen". In einem weiteren Wortspiel fragen sich Pekinger, ob sie ein Kondom brauchen ("biyuntao"), ein "Reisearrangement, um den Spielen zu entkommen". Immer wieder wird der Begriff "ao yun" (Olympia) in "nao yun" (Chaosspiele) umbenannt.

  • Findet China einen Olympia-Song, den die Welt mitsingen kann?

 

Das Olympia-Lied wird am 8. August erstmals vorgestellt. Viele Chinesen debattieren, ob der Song "weltweit" ankommt und wie kompatibel chinesische und westliche Kultur miteinander sind. Der musikalische Direktor der Spiele, Chen Qigang, verriet jedenfalls, dass das Olympia-Lied auf traditionellen chinesischen Instrumenten gespielt wird.

  • Wird Peking grün und sauber wie versprochen?

Aufforstungskampagnen haben seit 2001 dazu geführt, dass Wald- und Grünflächen 51,6 Prozent der gesamten Stadtfläche und 43 Prozent der Innenstadt bedecken. Allein 25.000 Hektar an Grasflächen und Bäumen wurden entlang der Straßen und der Eisenbahn gepflanzt. Flüsse, Teiche und Kanäle innerhalb des sechsten Stadtautobahnringes wurden renaturiert, die Ufer wurden verschönt und zu Ausflugsplätzen gestaltet. Über 200 Fabriken wurden in Peking und seinen umgebenden Provinzen verlegt oder vorläufig geschlossen, darunter das Pekinger Großstahlwerk. Alle Baustellen mussten seit 20. Juli stoppen.

  • Kann man noch Tickets kaufen?

 

Von sieben Millionen Tickets wurden bis zur dritten Verkaufsaktion am 16. Juni sechs Millionen verkauft. Die vierte Verkaufsaktion für eine Million Karten startet Ende Juli für Sponsoren, Olympische Komitees und Schalterkäufe. 185 Olympische Komitees haben Tickets gekauft. 20.000 Karten gibt es noch für Peking. (Johnny Erling aus Peking; DER STANDARD Printausgabe 22. Juli 2008)