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Jährlich grüßt die Tour de France.

Foto: Reuters/Duvignau

Nimes - Mit einem rigiden Anti-Doping-Kurs und pathetischer Rhetorik kämpfen die Renn-Direktoren verbissen um die Tour de France. Gleichzeitig werden selbst im Tour-verrückten Gastgeberland Stimmen lauter, den "Zirkus", wie die "Libération" am Freitag schrieb, zu beenden. Das Rennen habe nach dem dritten Dopingfall "seine gesamte Glaubwürdigkeit" verloren. "So macht es keinen Sinn mehr. Meine Herren vom Radsport: Stoppt jetzt alles!", forderte der italienische "Corriere dello Sport". Das Bulletin der spanischen "El Mundo" lautete: "Der Radsport und die Tour siechen langsam vor sich hin."

Weitere Dopingfälle zu erwarten

Besserung scheint weit und breit nicht in Sicht. Nach Informationen der Tageszeitung "L'Equipe" ist "noch mindestens ein weiterer Fahrer des Saunier-Duval-Teams", das nach dem Doping-Fall Riccardo Ricco die Tour verlassen hat, positiv auf das neue EPO-Präparat CERA getestet worden.

Piepoli entlassen

Dabei handelt es sich wohl um Leonardo Piepoli, Etappensieger in Hautacam. Ihm wird ebenfalls die Verletzung des Ethik-Codes vorgeworfen, erklärte Team-Manager Mauro Gianetti, der teaminterne Untersuchungen durchgeführt hatte und Piepoli bereits entlassen hat.

Die französische Justiz hat  gegen Ricco inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen des Gebrauchs verbotener Substanzen eingeleitet. Der Italiener habe das Gerichtsgebäude in Foix kommentarlos betreten, berichteten französische Medien. Den Dopingverdacht habe er bisher bestritten. Ricco wurde anschließend unter Auflagen freigelassen. In seinem Hotelzimmer wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft "interessante Dinge" (nämlich Spritzen und anderes medizinisches Material) gefunden, jedoch keine Dopingsubstanzen.

Teamsponsor Saunier Duval denkt indessen über einen Ausstieg nach."Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir wegen dieser Affäre aus dem Rad-Sponsoring aussteigen", erklärte Thiery Leroy, der Generaldirektor des Heiz- und Klimageräte-Herstellers. Er schwanke zwischen Wut und  Enttäuschung und werde eine Schadenersatzklage einbringen, sollte organisiertes Doping im Rennstall bewiesen werden.

Abbruch kein Thema

Für Tour-Chef Christian Prudhomme kommt ein Stopp des seit 1903 gefahrenen Klassikers natürlich nicht infrage. "1904 gab es schon Dopingfälle. Damals wollte der Renndirektor die Tour absagen, aber daran denken wir heute gar nicht. Wir kämpfen weiter und werden gewinnen. Doping ist der Feind, nicht eine Sportart und nicht eine Veranstaltung", meinte der Tour-Patron und ehemalige Fernseh-Journalist, der die TV-Rechte bereits vor der 95. Frankreich-Rundfahrt für 23 Millionen Euro bis 2013 verkauft hat. Auch ARD und ZDF, die im Vorjahr nach dem Bekanntwerden des Dopingfalles Sinkewitz aus der Live-Übertragung ausstiegen, halten weiter zur Tour. Ein sauberer Radsport sei "nur zu bekommen, wenn vorher saubergemacht wird", meinte Prudhomme.

"Ein Mann von schlechtem Ruf"

Zumindest Riccos spanischer Equipe Saunier Duval traut selbst Prudhomme nicht mehr über den Weg. "Ihr Manager Mauro Gianetti ist ein Mann von schlechtem Ruf", sagte der Franzose diesmal unverblümt auf einer Pressekonferenz am Donnerstagabend in Narbonne. Auf die Frage nach systematischem Doping der Spanier, wagte sich Prudhomme sogar weit aus dem Fenster: "Ich weiß nicht, ob sie es organisiert betreiben. Aber was ihre Fahrer auf dem letzten Anstieg nach Hautacam gezeigt haben, schien mir doch etwas zu eindrucksvoll zu sein."

"Ricco zu gut, um wahr zu sein"

Der Schotte David Millar, der nach dem Ablauf seiner Doping-Sperre 2006 für Saunier Duval als geläuterter Fahrer und großer Anti-Doping- Aktivist auftritt, sagte zum Fall des Italieners: "Ricco war zu gut, um wahr zu sein. Wir müssen herausfinden, wer dahintersteckt, woher er sein Zeug bekommen hat und wer ihm erzählt hat, er könne durch die Kontrollen kommen. Es wird im nächsten Jahr einen positiven Test geben und ohne Zweifel auch im Jahr darauf".

Blutdopingmittel CERA

Ricco war auf das Blutdopingmittel CERA, einem EPO-Nachfolge-Produkt der dritten Generation, das unter dem Namen Micera auf dem Markt ist, positiv getestet worden. Der heurige Giro-Zweite wurde am Donnerstag kurz vor dem Start von der Polizei festgenommen und befindet sich seither in Mirepoix in Untersuchungshaft. Er wurde am Freitagnachmittag vom Staatsanwalt in Foix einvernommen. Dem Italiener droht laut "L'Equipe" eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren wegen des Besitzes und der Einnahme verbotener Medikamente.

"Das haben die Sportler wahrscheinlich so nicht erwartet"

Dopingforscher Mario Thevis von der Sporthochschule Köln erklärte, dass sich CERA sich mit einem verfeinerten, alten EPO-Test nachweisen lasse sowie mit einem Verfahren, an dem der Hersteller Hoffmann-La Roche mitgearbeitet habe. "Das haben die Sportler wahrscheinlich so nicht erwartet", sagte Thevis. (APA/dpa)