Zu Recht, meinen Experten. Denn dies schütze kleinere vor größeren Ländern.

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Eines der Lieblingsbilder der EU-Kritiker ist das einer Union der Bürokraten-Hochburgen, in denen demokratisch nicht legitimierte Kommissare und Beamte den Mitgliedstaaten diabolisch schikanöse Gesetze aufzwingen.

Die einzige direkt gewählte EU-Institution, das Parlament, sei im Kräfte-Dreieck mit Kommission und Rat der schwächste Punkt und habe nicht einmal das Recht, Gesetze vorzuschlagen ("Initiativrecht").

Die Begrenzung der Macht des Parlaments hat geschichtliche Gründe, aber auch einen praktischen Grund. "Das EU-Parlament hat einen Geburtsfehler", meint der Leiter des Instituts für Europarecht an der Universität Innsbruck, Werner Schroeder. Es sei nicht als klassisches Parlament entstanden, sondern als parlamentarische Versammlung, die aus den nationalen Parlamenten entsandt wurden. Erst seit 1979 gibt es Direktwahlen zum EU-Parlament.

Der stellvertretende Vorsitzende des Verfassungsausschusses im EU-Parlament, der Grüne Johannes Voggenhuber, sieht hier einen "Prozess der Metamorphose": "Die EU wandelt sich ja gerade von einer internationalen Organisation zu einem politischen Gemeinwesen, und da gibt es auch für das Parlament neue Rahmenbedingungen." Dazu sei es durchaus im Sinn kleinerer Staaten, die Macht des Parlaments zu beschränken. Denn nicht immer stünden in der politischen Diskussion die Fraktionen gegeneinander, sondern in wichtigen Landesfragen auch die Abgeordneten der einzelnen Mitgliedstaaten. Aktuelles Beispiel ist die Transitproblematik: Während die ÖVP-Abgeordneten die Wegekostenrichtlinie für eine höhere Maut lobten, waren die deutschen CDU/CSU-Abgeordneten dagegen.

Bei einem Verhältnis von insgesamt 99 deutschen Abgeordneten und 78 Italienern gegen 18 Österreicher läge auf der Hand, wie Gesetzesvorschläge aus dem Parlament aussehen würden und wie die Abstimmungen ausgingen. "Einem Missbrauch des Parlaments durch die Mitgliedstaaten wären Tür und Tor geöffnet," meint Voggenhuber.

Dabei ist auch das Verhältnis von 99 Deutschen zu 18 Österreichern noch klar im Sinne Österreichs. Ein heimischer Abgeordneter vertritt rechnerisch rund 300.000 Wahlberechtigte, ein deutscher Parlamentarier aber 600.000 deutsche Wähler. Dennoch haben beide bei Abstimmungen genau eine Stimme. Anders ausgedrückt: Ein österreichischer Staatsbürger hat im EU-Parlament doppelt so viel Gewicht wie in Deutscher. "Wenn man da wirklich demokratisch im Parlament die Bevölkerungsgrößen widerspiegeln wollte, müsste das Parlament über tausende Abgeordnete verfügen, fast so wie der chinesische Volkskongress, oder kleine Länder wie Malta oder Luxemburg hätten gar keine Abgeordneten mehr", sagte Schroeder.

Aber auch die Konzeption der EU selbst steckt der Demokratie in den Institutionen Grenzen. "Es soll ja kein Gesamtstaat werden, deshalb kann das EU-Parlament auch nicht mit klassischen Parlamenten verglichen werden, weil diese ja die entsprechenden Kompetenzen nicht abgeben."

Die Forderungen der EU-Gegner nach der Direktwahl der Kommission und dem Initiativrecht für das Parlament wären demnach große Schritte in die Richtung, die von ihnen vermutlich eher nicht angepeilt wird: Die Vereinigten Staaten von Europa. Gleichzeitig wird jedoch der Vertrag von Lissabon, der dem Parlament deutlich mehr Rechte ohne "EU-Superstaat" brächte, abgelehnt. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 18.7.2008)