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Jubel in Beirut über die Freilassung der libanesischen Gefangenen.

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Trauerzug bei der Beerdiung des israelischen Soldaten Ehud Goldwasser in Nahaijara.

Die Leichen von zwei Israelischen Soldaten gegen fünf Libanesen - darunter auch Samir Kuntar, der 1979 wegen Mordes an einem Familienvater, dessen Tochter und einem Polizisten zu insgesamt 542 Jahren Haft verurteilt wurde. Das ist die Bilanz des gestrigen Gefangenenaustausches zwischen Israel und dem Libanon. In Israel brechen nun Diskussionen los, ob dieser Preis nicht zu hoch war.

Warum Israel unter diesen Bedingungen überhaupt einwilligte, erklärt Guido Steinberg von der in Berlin ansässigen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): "Die tieferen Gründe kenne ich auch nicht, generell ist es aber so, dass Israel seine Soldaten auf israelischem Territorium beerdigen will." Das sei auch der Grund warum die Bilanz der bisherigen Austauschaktionen auf den ersten Blick negativ für Israel erscheint. Diese Vorgehensweise ist in Israel zwar generell Konsens, diesmal gibt es aber mehr kritische Stimmen.

Hoher Preis

Steinberg: "Der Preis war diesmal sehr hoch. Kuntar war auch schon bei dem bisher letzten Austausch im Jahr 2004 Thema bei den Verhandlungen." Damals hätte sich Israel zwar gewehrt ihn freizulassen, aber mehr als 420 andere arabische Häftlinge wurden aus der Haft entlassen. Im Gegenzug ließ die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah den israelischen Geschäftsmann und Reserve-Oberst Elhanan Tennenbaum frei und überstellte die Leichen dreier Soldaten, die vier Jahre zuvor bei einem Angriff an der libanesischen Grenze getötet worden waren.

Roter Teppich

Die Hisbollah habe am Mittwoch zwar einen großen Propagandasieg gefeiert, aber auch die Regierung vom Staatspräsidenten Sleimane feierte die Freilassung als Erfolg. Den Gefangenen wurde im Libanon ein pompöser Empfang bereitet: Staatspräsident Michel Sleimane, Ministerpräsident Fuad Siniora und Parlamentspräsident Nabih Berri empfingen sie auf dem roten Teppich. "Deine Rückkehr heute ist ein Segen für den ganzen Libanon!", sagte Staatspräsident General Michel Sleimane bei der Empfangszeremonie in Beirut. "Die Tage der Niederlage sind vorbei. Der Sieg ist gekommen", verkündete Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah, der ebenso wie führende Politiker des pro-westlichen Lagers um Ministerpräsident Fouad Siniora die "Stunde des nationalen Zusammenschlusses" pries.

Steinberg: "Das ist eine der wenigen Fragen, bei der im Libanon innenpolitischer Konsens besteht." In der Wahrnehmung der Bevölkerung waren die Gefangenen Geiseln Israels. Ihre Freilassung sei demnach ein legitimes Anliegen der Hisbollah, das auch die Regierung unterstützte.

Israels Staatspräsident Shimon Peres nannte die Feierlichkeiten im Libanon "eine Schande", die libanesische Staatsführung und die in der Regierung in Beirut vertretene Hisbollah würden die Rückkehr eines Mörders feiern, der den Kopf eines vier Jahre alten Mädchens zerschmettert habe, sagte Peres.

Rücksich auf Syrien

Einige Israelis ließen ihrer Wut freien Lauf und forderten die Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah. Andere konnten nicht verstehen, dass die Freilassung eines Mörders wie ein Staatsakt gefeiert wurde. Auf das Verhältnis zwischen Israel und dem Libanon wird der Gefangenenaustausch allerdings keinen Einfluss haben, sagt Steinberg. Die Hisbollah sei ohnehin bereits gestärkt. "Sie haben die meisten ihrer Ziele bereits erreicht und haben beispielsweise eine Sperrminorität in der libanesischen Regierung."

An eine erneute Konfrontation zwischen Israel und dem Libanon bzw. der Hisbollah glaubt Steinberg nicht. "Die Hisbollah muss aufpassen, Syrien nicht zu verärgern von dem sie logistisch stark abhängig sind." Vor allem Waffen würden aus dem Iran über Damaskus in den Libanon geliefert, erklärt Steinberg. Das westliche Nachbarland hat im Mai indirekten Friedensgesprächen mit Israel zugestimmt – eine Eskalation würde auch Syrien provozieren und sei deswegen nicht zu erwarten. (mka, derStandard.at, 17.07.2008)