Wien - "Aktien sind etwas für reiche Leute" - so fasst Martin Schürz, Ökonom an der Nationalbank (OeNB), seine neue Studie zusammen. Eine simple Aussage, die politische Brisanz birgt (siehe Artikel links); denn im Streit um ein gerechtes Steuersystem wird gerne anderes behauptet. Längst sei es auch der breite Mittelstand, heißt es, der auf Wertpapieren sitze. Weshalb die umstrittene Vermögenszuwachssteuer vor allem diese Gruppe schröpfen würde.

"Die Massen an Durchschnittsverdienern, die mit Aktien fürs Alter vorsorgen, sind ein Mythos", sagt Schürz. Gemeinsam mit seinem Kollegen Pirmin Fessler hat er in einer Studie untersucht, wie sehr die Österreicher auf Anlageformen vertrauen, die ein gewisses Risiko bergen. Das Resultat, knapp zusammengefasst: wenig.

Die Zahlen, die auf einer von der Nationalbank durchgeführten Umfrage basieren, im Detail: Von den Durchschnittshaushalten, die über ein Einkommen zwischen 1350 und 2250 Euro verfügen, halten lediglich elf Prozent Aktien. Die Quote verdoppelt sich, wenn man Investmentzertifikate und Anleihen dazurechnet, die aber nicht zwangsläufig risikoreich sind.

Kein Volk von Aktionären


Ab einem Einkommen von 3000 Euro Netto beträgt der Anteil der Aktienbesitzer ein Drittel, wirklich konzentriert sind Wertpapiere erst bei den wohlhabendsten zehn Prozent: 60 Prozent setzen auf Aktien, 80 Prozent auf risikoreiche Anlagen im weiteren Sinn.

Je höher Geldvermögen, Einkommen und Bildungsgrad, desto eher versucht ein Bürger sein Glück am Kapitalmarkt - überdurchschnittlich vertreten sind Akademiker im Allgemeinen, Unternehmer und Beamte im Besonderen. Studienautor Schürz hält damit auch die Annahme für widerlegt, die Österreicher seien einfach zu konservativ und risikoscheu für Aktien. "Risiko muss man sich leisten können", sagt der Ökonom und weist darauf hin, dass es punkto Geldvermögen in Österreich so etwas wie eine Mittelschicht kaum gebe. Laut Daten der OeNB besitzen die obersten 0,5 Prozent mit 14 Prozent deutlich mehr am Gesamtvermögen als die gesamte untere Hälfte der Bevölkerung zusammen (neun Prozent).

Dass in anderen Ländern Wertpapiere weitverbreiteter sind, erklärt die Studie vor allem mit den anders konzipierten Pensionssystemen, die auf dem Kapitalmarkt aufbauen. Die Ärmeren greifen aber auch in "Aktienparadiesen" wie den USA oder in Großbritannien kaum häufiger auf derartige Anlagen zurück. Übrigens: In Österreich vertrauen selbst Aktionäre nicht restlos auf ihre Spekulationskunst. Fast jeder besitzt auch ein Sparbuch, einen Bausparvertrag oder eine Lebensversicherung. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 17.7.2008)