Vor wenigen Jahren, da schimpften sie noch über das radikale Pack, das "Haschtrafiken" bauen und dem Land eine "Zwangsvegetarisierung" verordnen wolle. Heute umschmeicheln sie die vermeintlichen Revoluzzer als künftige Regierungspartner. Und diesmal sind es nicht nur liberale Bürgerskinder aus den Wiener Bobo-Bezirken, die einer schwarz-grünen Koalition "Charme" - das Modewort in der ÖVP - attestieren. Selbst bodenständige Bauernbündler äußern Sympathie für Alexander Van der Bellen und Co.

Wahltaktik spielt dabei natürlich eine Rolle. Die ÖVP bandelt mit den "schicken" Grünen auch deshalb an, um ihr selbstverschuldetes Image als Hort halsstarriger Konservativer zu korrigieren. Dennoch spricht einiges dafür, dass viele Schwarze die Avancen ernst meinen. Weil sie von der großen Koalition die Nase voll haben. Und dass Annäherungsversuche nicht immer leeres Gesülze sein müssen, hat die ÖVP - im Gegensatz zur SPÖ - mit gemeinsamen Regierungen in Oberösterreich oder Graz bewiesen.

Logisch, dass sich die Grünen nun, im Wahlkampf, gegen die Umarmungen wehren. Die ohnehin als angepasst verschriene Oppositionspartei muss den Eindruck vermeiden, den FPÖ, BZÖ und SPÖ in ihren Koalitionen mit den Schwarzen erweckt haben: ein Beiwagerl der ÖVP zu sein. Doch ebenso wenig, wie die grünen Chefs Ja sagen, kommt ihnen ein dezidiertes Nein über die Lippen - aus guten Gründen. Denn die Grünen stehen den Schwarzen näher, als das viele in der Partei wahrhaben wollen.

Naturschutz ist eine per se konservative Idee. Die grünen Gründerväter und -mütter kamen nicht nur vom linken Rand der Gewerkschaft, sondern auch aus bürgerlichen Häusern, wo Begriffe wie "Heimat" nicht anrüchig klingen. Auch Van der Bellen hat einen bourgeoisen Einschlag. Schon vom Habitus her ist der Wirtschaftsprofessor keiner, den dünkelhafte ÖVPler zum proletarischen Parvenu abstempeln.

Die Gemeinsamkeiten beschränken sich nicht auf Stilfragen. Van der Bellen ist der starre Etatismus roter Traditionalisten fremd. Wenn er zur Budgetdisziplin mahnt, klingt er mitunter wie ein schwarzer Finanzminister. Er setzt auf einen starken Sozialstaat, aber auch auf ein freies Unternehmertum, das mit Innovationsgeist zu einer Wende in der Umweltpolitik beitragen könnte. Im Modell der "ökosozialen Marktwirtschaft" , an dem der heutige Vizekanzler Wilhelm Molterer in der ÖVP einst mitgebastelt hat, vereinigen sich grüne und schwarze Ideen geradezu idealtypisch.

Sicher, grau ist alle Theorie. Aus grüner Sicht war die schwarze Regierungspolitik oft ungustiös. Doch Politik ist kein sentimentales Geschäft, in dem ewig alte Sünden erörtert werden sollten. Im Jahr 2003, als die Grünen sich erstmals auf Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP eingelassen hatten, zeigte sich diese erstaunlich flexibel. Punkto Fremdenpolitik waren sich die beiden Parteien praktisch einig, ehe die Allianz wegen anderer Widersprüche scheiterte.

Damals hat die Ökopartei gezeigt, dass man am Ende von Verhandlungen auch Nein sagen kann. Geschadet hat der Flirt mit der ÖVP nicht. Die Grünen kamen in den Medien vor, konnten ihre Standpunkte präsentieren. Nicht das Schlechteste für eine Partei, die eh oft in der Versenkung abtaucht.

Van der Bellen sollte dem Druck der "Fundis" in der Partei stand- und die Option ÖVP offenhalten. Wer eine große Koalition und einen FPÖ-Vizekanzler Strache verhindern will, darf nicht den vielleicht einzigen Ausweg verbauen. Auch auf die Gefahr, bei schmerzhaften Kompromissen die Aura der Unbeflecktheit zu verlieren. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.7.2008)