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Mit zu viel Stickstoff im Blut kann ein Tauchgang im Tiefenrausch enden.

Foto: APA/Herbert Frei/Atlantis Qualidive

Auch ein harmloser Tauchgang kann dramatisch enden. "Wer zu rasch aus der Tiefe an die Wasseroberfläche zurückkommt, ist wie eine Mineralwasserflasche, die geöffnet wird", beschreibt Ulrike Preiml, Sportmedizinerin mit Spezialgebiet Tauchsport in Wien. Was im Körper passiert: Der angereicherte Stickstoff im Körper beginnt Blasen zu bilden.

Taucherkrankheit

Das Phänomen nennt sich Taucher-, Dekompressions- oder Caissonkrankheit und ist eine Folge der zu schnellen Druckentlastung. Je nachdem, wo sich die Blasen bilden, wird die Erkrankung manifest. In ihrer mildesten Form dominieren Müdigkeit und Hautjucken, Letzteres wird unter Tauchern auch gerne als "Tauchflöhe" bezeichnet. Gelangen die Gasblasen allerdings in Rückenmark oder Gehirn, können neurologische Ausfälle bis hin zu zur kompletten Lähmung die Folgen sein.

"Die Dekompressionskrankheit beinhaltet eigentlich zwei Krankheitsbilder", präzisiert Wilhelm Welslau, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin. Neben dem Problem mit den Stickstoffbläschen ist die arterielle Gasembolie das zweite große Risiko, das dann entsteht, wenn sich die Atem-gase beim plötzlichen Auftauchen ausdehnen und die Lunge reißen lassen.

Gas im Hirn

Ist das der Fall, sind die Folgen allerdings ungleich dramatischer: Gelangen dadurch Gase in die das Gehirn versorgenden Gefäße, kann ein Schlaganfall die Folge sein - und der kann auch beim Auftauchen aus nur drei Meter Tiefe entstehen.

Die Therapie bei Tauchunfällen ist klar definiert. Gleich nach dem Auftauchen wird den Betroffenen Sauerstoff und Flüssigkeit verabreicht, im nächsten Krankenhaus muss dann in der Druckkammer die Rekompression erfolgen: Dort werden die Druckverhältnisse unter Wasser simuliert, und der Taucher taucht praktisch im Trockenen noch einmal auf. Das aber kontrolliert langsam, während er ein Sauerstoff- oder ein Sauerstoff-Helium-Gemisch dabei einatmet.

Drucksache

Der richtige Druck ist der Knackpunkt beim Tauchen. "Wer zu lange und zu tief taucht, riskiert viel", sagt Tauchärztin Preiml und appelliert an die Verantwortung jedes Tauchers. Denn: Wenn sich der Wasserdruck erhöht, steigt auch der Druck der eingeatmeten Gase. Stickstoff, der - gemischt mit Sauerstoff - in einer Pressluftflasche üblicherweise mit 78 Prozent den überwiegenden Anteil einnimmt, wird bei erhöhtem Druck vermehrt im Blut und im Gewebe gespeichert.

Es ist auch der Stickstoff, der für das bei Tauchern gefürchtete Phänomen des Tiefenrausches verantwortlich ist. "Stickstoff wirkt wie Lachgas narkotisch, und der Taucher handelt dann plötzlich vollkommen irrational", erklärt Tauchmedizinerin Preiml und weiß aus Erfahrung, dass Tiefenrausch sowohl euphorisierend als auch beängstigend erlebt wird. "Es ist dem Alkoholrausch sehr ähnlich", sagt sie.

Mit Disziplin

Einige Gerätetaucher, die in extreme Tiefen gehen, umgehen das Risiko, indem sie mehr Sauerstoff in ihre Flaschen füllen. Der Vorteil ist eine niedrigere Stickstoffsättigung des Gewebes. Der Nachteil: Sauerstoff hat so wie jedes Gas in der Tiefe auch toxische Wirkung. Typisch für Sauerstoffvergiftung sind Krampfanfälle und Bewusstlosigkeit.

Solche Unfälle sind allerdings selten. "Tauchen ist ein sicherer Sport, solange man sich an die genau definierten Regeln hält", betont Wilhelm Welslau. Statistiken der europäischen Organisation internationaler Tauchmediziner DAN (Divers Alert Network Europe) bestätigen, dass auf zirka 8000 Tauchgänge bei Europas Sporttauchern es derzeit nur zu einem Tauchunfall kommt.

Reiz der Tiefe

"Der irrationale Reiz an der Tiefe ist vor allem das Problem", weiß Welslau und macht primär das Tauchverhalten für diese Zahl verantwortlich. Für fast 70 Prozent aller Verunfallten gilt: Sicherheitsregeln wurden missachtet. Geräteversagen dagegen ist selten.

Worauf Preiml auch disziplinierte Taucher allerdings immer wieder gerne aufmerksam macht, ist, dass Dekompressionsunfälle auch zeitlich verzögert auftreten können, vor allem dann, wenn der Umgebungsdruck fällt wie etwa in Flugzeugkabinen. Ihre Empfehlung: Zwischen letztem Tauchgang und dem Antritt der Heimreise per Flugzeug sollten mindestens 24 Stunden vergangen sein. (Regina Philipp, DER STANDARD, Printausgabe,14.7.2008)