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"Das Tagebuch ist mein Kif, Haschisch, meine Opiumpfeife. Es ist für mich Droge und Laster".

Am 21.02.2003 würde Anais Nin 100 Jahre alt. Letztes Jahr erinnerte man sich an ihren Todestag, der sich 2002 zum 25ten Mal jährte.

Anais Nin, die 1903 in Neuilly bei Paris geboren wurde, verwand die Trennung von ihrem Vater, dem spanischen Komponisten und Musiker Joaquin Nin, nie vollständig. Er verließ die Familie 1913, als Anais 10 Jahre alt war. Die Mutter, eine Französin, siedelt nach der Trennung mit Anais und ihren zwei Brüdern nach New York, wo Anais recht bald mit dem Tagebuchschreiben begann. Das Tagebuch, so beschreibt es Anais Nin später, ist "ihre einzige Freundin und Vertraute".

Foto: Archiv

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Träumen Flügel wachsen lassen

Seitdem schrieb sie regelmässig Tagebuch und die Literaturwissenschaft erkennt im Nachhinein in den frühen Tagebüchern - Nin war damals zwischen 18 und 20 Jahren alt - ein "Überfließen an Kreativität" und ein "hohes Maß an Selbstreflexivität" (herausgegeben als "Ich lasse meinen Träumen Flügel wachsen").

Foto: Archiv

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Bankangestellter mit künstlerischen Ambitionen

Zu diesem Zeitpunkt hat Anais Nin längst ihren Schulabschluss absolviert und kurze Zeit an der Columbia University "Schreiben" gelernt. Dort begegnet sie Hugh Guiler, einem Bankangestellten mit künstlerischen Ambitionen, den sie 1923 heiratet. Mit der Rückkehr Ende 1924 ins zunächst verhasste Paris brechen aber erste Streitigkeiten der jungen Eheleute auf und führen zu Depressionen und Schreibkrisen der Autorin.

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Millers Muse, Mäzenin und Ratgeberin

1929 beginnt Nin eine erste Affäre und spätestens mit den Dreissiger Jahren endet nicht nur für sie Prüderie und Scheinmoral. Anais Nin entdeckt das freizügige Pariser Boheme-Leben: Der ersten Affäre folgen zahlreiche sexuelle Begegnungen, darunter auch die leidenschaftliche Beziehung zu Henry Miller und seiner Frau June. Miller, der ihr 1931 zum ersten Mal begegnet, ist sie zugleich Muse, Mäzenin und Ratgeberin.

"Anais Nin. Eine Biographie", von Deirdre Bair, Penguin USA, 1995

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Psychoanalyse

Neben ihrer literarischen Arbeit interessierte sich Anais Nin aber immer auch für die Psychoanalyse. Ihre Begegnung und Liebesbeziehung zum Psychoanalytiker Otto Rank verstärken dieses Interesse; sie bildet sich autodidaktisch fort und arbeitet ab 1935 selbst als Analytikein.

"Anais Nin. Eine Biographie", von Deirdre Bair, btb 1998

Foto: Buchcover

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"Ich träume von den Wundern..."

Eine Lehranalyse war damals - anders als heute - nicht unbedingt notwendig; man "absolvierte" diese quasi ganz nebenbei bei einem Spaziergang. Was einer Auffassung Sigmund Freuds entspricht, der sich ausdrücklich für die Laienanalyse aussprach.

In einem Tagebuch von 1936 bemerkt sie: "Ich liebe die Psychoanalyse. Sie ist das was die Menschen von mir wollen. [...] Ich träume von den Wundern, die ich vollbringen werde."

"The Diary of Anais Nin", von Anais Nin, Harvest Books, 1969

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Erotika für einen Dollar pro Seite

Die fast zwanghafte Tagebuchschreiberin, schrieb aber auch Erotika für einen Dollar pro Seite. Das war 1940, als die Nin gemeinsam mit Henry Miller in Paris "arm wie eine Kirchenmaus" lebte. Miller selbst attestiert ihr für diese erotischen Erzählungen, die erst kurz vor ihrem Tod veröffentlicht werden durften: "Poetisch und pornographisch, sinnlich und sensibel, ein schamlos schönes Buch". [Das Delta der Venus, 1977]

"Ladders to Fire: Cities of the Interior", von Anais Nin, Swallow Press, 1995

Halbherzige Pornografin ?

Aber nicht alle Kritiker schätzten Nins unverblümten Schreibstil. "Halbherzige Pornografin" war eines der Urteile, die man über die Autorin fällte, die ihre sexuellen Fantasien, ihre erotischen Träumereien sehr deutlich bekannte und niederschrieb.

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Kultautorin der "Blumenkinder"

Der beginnende Zweite Weltkrieg veranlasst Anais Nin, nach New York zurückzukehren. Da sie auch dort zunächst noch keinen Verleger für ihre Bücher findet, druckt sie mit einer selbst erworbenen Druckerpresse schliesslich selbst. Erst 1966 erscheinen erste Auszüge aus ihren insgesamt 150 Tagebüchern, die sie vor dem Hintergrund der enttabuisierten Sechziger Jahre zu einer Kultfigur werden liessen. - 1977 starb Anais Nin in Los Angeles.
(katrin fessler/derstandard.at)

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Anais Nin - offizielle Website

Porträt in dieStandard.at

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