Wien - Der Erweiterte Bundesvorstand der Grünen hat einhellig die Vorgangsweise des Grünen Verhandlungsteams in den Koalitionsgesprächen mit der ÖVP gebilligt. Bundessprecher Alexander Van der Bellen betonte, die Aufnahme der Verhandlungen mit der ÖVP sei als richtig befunden worden. Der Verlauf der Gespräche mit der Volkspartei sei vom EBV als gut und professionell eingestuft worden, das "Ende der Verhandlungen" müsse man angesichts der "letztlich doch nicht überbrückbaren Differenzen" zur Kenntnis nehmen.

Gegen einseitige Schuldzuweisungen

Gleichzeitig betonte der Grünen-Chef, dass er gegen gegenseitige Schuldzuweisungen von ÖVP an Grünen und umgekehrt sei. Zu einer formellen Abstimmung kam es im EBV allerdings nicht.

In einer Pressekonferenz Sonntag Nachmittag nach der Sitzung des EBV sagte Van der Bellen, der Verlauf der Gespräche sei sowohl persönlich als auch inhaltlich interessant gewesen. In einigen Bereichen habe es durchaus Annäherung gegeben, "die vielleicht keine der beiden Parteien vor Aufnahme der Verhandlungen für möglich gehalten hätte". Trotzdem seien genug Unterschiede in zahlreichen Fragen übrig geblieben, wobei er vor allem den Budgetkurs und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sowie die Frauenpolitik und die Pensionsreform nannte.

Es liegt an Schüssel

Ihm sei auch klar, dass sich das "Window of opportunity" nicht beliebig öffnen würde. Erstmals habe es einen derart intensiven Verhandlungsprozess zwischen ÖVP und Grünen gegeben, der möglicherweise für beide Seiten lehrreich gewesen sei. Wie es jetzt mit der Regierungsbildung weitergehe, liege an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V).

Auf die Frage, ob bei den Verhandlungen zuletzt nur "peanuts", wie die Mitbestimmung von Assistenten an Universitäten im Gespräch gewesen seien, sagte Van der Bellen, es habe Unterschiede in einigen Bereichen gegeben, und für ihn sei außerdem dieses Thema nicht unter "peanuts" einzuordnen. "Ich nehme das Ende der Verhandlungen mit Bedauern zur Kenntnis."

"Die eiserne Hand des Finanzministers"

Was die Pensionsthematik betrifft, habe immer Konsens darüber geherrscht, dass Maßnahmen zur Stabilisierung der Ausgaben im Pensionssystem getroffen werden müssten. Die Fragen seien nur, welche, und wie wären die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und wie könnte man gegensteuern. "Da sind wir jeweils auf die eiserne Hand des Finanzministers gestoßen", so Van der Bellen. Angesprochen darauf, dass Sicherheitssprecher Peter Pilz gemeint habe, die Verhandlungen seien an Schüssel gescheitert, sagte der Grünen-Sprecher, er wolle sich dazu nicht äußern. Es sei nur "erstaunlich", wie wenig Bewegung in der vergangenen Nacht von der ÖVP sichtbar geworden sei. "Es gab aber nun einmal den Zeitdruck und den Zeitplan. Und angesichts dessen sind wir nicht zu einem Einvernehmen mit der ÖVP gekommen."

Van der Bellen präzisierte, dass der Zeitplan "in Übereinstimmung" mit der Volkspartei festgelegt worden sei. Befragt, ob dies bedeute, dass heute das Koalitionsergebnis feststehen und nächste Woche nicht mehr verhandelt hätte werden müssen, meinte er: "Vollkommen korrekt." Auch die Frage, ob es nicht an Schüssel gelegen sei, die unüberbrückbaren Positionen zu überwinden, nahm Van der Bellen gelassen: "Hätte, hätte, hätte - Sie verwenden mit Recht den Konjunktiv. Ich würde mich nicht wundern, wenn auch in der ÖVP einige Köpfe zusammensitzen und sagen: 'Hätte, hätte, hätte.' Es ist aber eine Tatsache, dass um 5.00 Uhr früh das 'Hätte' nicht zu einem Indikativ geworden ist." Jedenfalls seien die Verhandlungen mit der ÖVP "lehrreich" gewesen. Dies insofern, "als es für die Zukunft gewisse Schlussfolgerungen im Bereich beider Parteien nahe legt". Jetzt würde es ihn "freuen, nach Hause zu gehen und einen minimalen Schlaf nachzulegen".

Tosender Applaus

Im Vorfeld zum Bundesvorstand hieß es aus Kreisen der Grünen, dass Bundessprecher Alexander Van der Bellen und seine Stellvertreterin Eva Glawischnig bei der Sitzung am Sonntag mit "tosendem Applaus" begrüßt worden seien.

Insgesamt meinte der Grünen-Chef, dass man trotzdem in den Verhandlungen sehr viel erreicht habe, "beim nächsten Mal machen wir es besser". Ob die ÖVP die Taktik des Verhandelns besser beherrsche, beantwortete Van der Bellen damit, dass die Volkspartei seit 100 Jahren verhandle. (APA)