Im Symbolhaushalt der Literatur rangiert der Kriminalroman nicht gerade an oberster Stelle. Vor allem dann nicht, wenn er in Form eines auf billigem Papier gedruckten Taschenbuchs auf den Markt geschwemmt wird. Die Könige der Branche erscheinen im Hardcover - und halten sich mit der Bezeichnung Krimi meist nobel zurück.

Eine Art Selbstdistanzierung, die dem jungen, in Wien lebenden Autor Jürgen Benvenuti wohl selbst im Traum nicht einfallen würde: Seit einem knappen Jahrzehnt schreibt er Krimis. Und ist stolz darauf: "Ja, ich glaube, ich bin ein guter Autor", sagt der 31-Jährige.

Acht Bücher hat der in Vorarlberg Geborene bereits veröffentlicht - die meisten von ihnen unbeachtet von einer größeren literarischen Öffentlichkeit. Erst bei Deuticke, dann bei Bastei-Lübbe im Paperback und nunmehr wieder als Hardcover im Hamburger Europa-Verlag. Eine Entwicklung, die Benvenuti gleich in mehrerer Hinsicht von Österreich nach Deutschland führte. Auch wenn der groß gewachsene hagere Autor mit den vielen Tattoos noch immer in Wien lebt. Und am Abend im Rhiz am Gürtel sein Bier trinkt.

Harter Stoff hieß 1994 der Erstling Benvenutis. Ein rauer Thriller aus der Wiener Drogenszene, in der die vorkommenden Wiener Örtlichkeiten kaum wiederzuerkennen waren. So hart wie hier die Schauplätze gegeneinander geschnitten waren, so brutal wie hier die Szene skizziert wurde: Wien - glaubte man zumindest - sehe doch etwas anders aus. Nicht so bei Benvenuti: Harter Stoff folgte dem Genre amerikanischer Krimis.

"Los Angeles, made in Vienna", übertitelte der Krimiliebhaber Franz Schuh denn auch seine Lobeshymne auf Benvenuti, die er erst unlängst in den "Literaturen" veröffentlichte und in der er die amerikanische Perspektive der Romane inmitten der österreichischen Verhältnisse über den grünen Klee rühmte. Schuh ist der Entdecker Benvenutis; den damaligen Lektor bei Deuticke lernte der angehende Autor auf einer Lesung kennen: "Ich schickte ihm mein Manuskript und er war begeistert."

Angetan war auch die Kritik, die den jungen Mann in ihr Herz schloss. Benvenuti passte hervorragend zum Bild, das man sich von einem Thrillerautor machen konnte. Dabei, lacht der Autor, "führe ich ein dermaßen langweiliges Leben. Ich lese Krimis, ich schreibe Krimis und gehe am Abend halt ein bisschen fort." Ein Thrillerleben sieht zugegebenermaßen anders aus.

Einmal angelassen, kam die Krimimaschinerie allerdings nicht mehr so schnell zum Stillstand. Mittlerweile, sagt Benvenuti, sei das Schreiben für ihn so etwas wie ein Geschäft. Kunstdünkel hat dieser Autor keine: "Kunst ist alles, was ich nicht lesen will" und, so muss man hinzufügen, was er auch nicht schreiben will.

Die Bücher Benvenutis sind gut gemacht. Das Genre beherrscht er aus dem ff, an der Dialogführung könnte sich manch einer aus der gehobenen Literaturecke ein Beispiel nehmen. Und auch wenn das Krimiraster manchmal etwas eng ist: Das Spiel mit den Klischees gehört schließlich zu den besonderen Kniffen des Krimis. "Das Genre ist die Bühne", sagt Benvenuti, "aber nicht das Stück."

Geändert hat sich im Laufe der Krimis einiges: Wien als Schauplatz der Romane hatte bereits nach Buch Nummer drei, nach Schrottplatzblues , ausgedient. Mit dem Verlagswechsel nach Deutschland änderte Benvenuti auch das Setting seiner Bücher: Sie spielten fortan, wenn schon nicht in Deutschland, so doch in einem fiktionalen Raum - verschwinden musste damit natürlich auch der Wiener Slang. Was Thriller wie Eine Chance zu viel oder Remora gemeinsam hatten, war die Konzentration auf das Ineinanderrasten der Handlungselemente, das gesteigerte Tempo und die immer ausgetüftelteren Spannungsbögen: "Ich fordere sex, crime, action und eine Prise blood'n guts, sowie das Anrecht auf gute, ordentliche Unterhaltung", schrieb Benvenuti einmal im Internet-Krimiforum Kaliber.

Vorbilder wie Elmore Leonard oder Ed McBain sind mittlerweile, was die Qualität der Bücher Benvenutis betrifft, nicht mehr gar so weit entfernt. Aktuell ist dies an Barcelona Blues überprüfbar, Benvenutis neuestem - gebundenem - Krimi. Zwei Kerle, die eher durch Zufall zu Gelegenheitsgangstern wurden, versuchen sich gemeinsam in Barcelona über Wasser zu halten. Bis sie eines Tages Sara Nielsson treffen, einen älteren Rockstar, der ihre Probleme lösen könnte.

In der Wohnung, in der die beiden Männer aus dem Roman untertauchen, erzählt Benvenuti, habe er selbst bei einem längeren Auslandsaufenthalt gewohnt: "Ich muss mir beim Schreiben auch optisch etwas vorstellen können." Die Vertrautheit des Autors mit den beschriebenen Örtlichkeiten tut dem Roman gut. Auch wenn dieser eher davon lebt, dass einer der beiden Hauptgestalten von einem Killer verfolgt wird, den der kriminelle Schwiegervater auf diesen angesetzt hat. Ganz taufrisch ist die Handlung von Barcelona Blues nicht, aber das macht ja nicht wirklich was. Die Erwartungshaltungen an einen neuen Benvenuti erfüllt das Buch allemal. Dem Kenner werden zudem auch einige intertextuelle Anspielungen nicht entgehen. Ein Heiner-Müller-Zitat wie bei Doris Gercke wird man jedoch zu Beginn eines Krimis von Jürgen Benvenuti auch in Zukunft nicht finden: "Da vergeht mir schon gleich am Anfang die Lust, ein Buch zu lesen."(Von Stephan Hilpold/DER STANDARD; Printausgabe, 15.02.2003)