Es gibt viele Themen, bei denen sich ÖVP und Grüne in die Haare geraten - die Landwirtschaft gehört nicht dazu. Trotz verschiedener Schwerpunkte sind sie bei der Unterstützung für Österreichs Bauernstand und seinem segensreichen ökologischen Wirken vereint - und haken den Punkt in den Koalitionsverhandlungen schnell ab. Dabei wäre gerade die EU-Agrarpolitik und ihre internationalen Folgen ein Thema, bei dem die Grünen gegen eine der Säulen der ÖVP-Politik anrennen sollten.

Seit einem halben Jahrhundert kämpfen alle Industriestaaten mit dem Phänomen des Bauernsterbens. Weil damit nicht nur eine Branche, sondern eine ganze Lebensart schwindet, gibt es die gemeinsame EU-Agrarpolitik, um diesen Strukturwandel abzubremsen. Sie schützt den eigenen Markt durch hohe Zölle, zahlt den Bauern Preise weit über dem Weltmarktniveau und verkauft die daraus folgende Überproduktion mithilfe von Exportförderungen ins Ausland. Hauptnutznießer des Systems, das im Kern alle Reformen überdauert hat, sind vor allem große Agrarbetriebe, nicht die kleinen Bauern.

Höhere Lebensmittelpreise, höhere Steuern

Den Preis dafür zahlen einerseits die übrigen EU-Bürger in Form höherer Lebensmittelpreise und höherer Steuern, da die Agrarpolitik mehr als die Hälfte des EU-Budgets auffrisst, und andererseits die Entwicklungsländer. Gerade in einem Wirtschaftszweig, in dem sie wettbewerbsfähig wären, sind die reichsten Länder der Welt nicht Abnehmer, sondern hoch subventionierte Konkurrenten. Entwicklungsexperten weisen immer wieder darauf hin, dass eine Öffnung der Agrarmärkte in Europa, Japan und den USA, die auch zunehmend dem Agrarprotektionismus verfallen, den armen Ländern weit mehr helfen würde als jede Aufstockung der Entwicklungshilfe. Die Agrarpolitik ist der internationale Sündenfall der EU - und schadet auch der eigenen Umwelt, indem sie den Einsatz von Chemie und Massentierhaltung fördert.

Der Abbau der Agrarsubventionen ist auch eines der Schlüsselthemen der laufenden WTO-Runde: Die Entwicklungsländer sind diesmal nur dann zur Liberalisierung bereit, wenn die Industriestaaten ihre Agrarmärkte öffnen. Zwar kommt die lauteste Kritik an der EU aus den USA, doch würden - neben Australien und Kanada - vor allem arme Länder von einer solchen Marktöffnung profitieren. Wenn Europa sich nicht bewegt, dann droht der Doha-Runde der Kollaps - mit bösen Folgen für die Weltwirtschaft.

Entkoppelung von Produktion und Subvention

Genau diese Bewegung war in den Reformvorschlägen von EU-Kommissar Franz Fischler im vergangenen Sommer enthalten. Diese zielten auf eine Entkoppelung von Produktion und Subvention ab: Bauern unterstützen, ohne den Außenhandel zu verzerren. Doch Europas Bauernlobby, mit Frankreich an der Spitze, brachte Fischlers Plan zu Fall und lehnt nun auch seine abgeschwächten Vorschläge ab. Dass Wilhelm Molterer aus Rücksicht auf einige Großbauern seinem Parteifreund Fischler in den Rücken fiel und die Reform ablehnte, war keine Ruhmestat des österreichischen Landwirtschaftsministers - und wird letztlich nicht zu halten sein.

Denn die EU ist gerade dabei, die internationale Debatte um die Agrarpolitik zu verlieren. Das nun in Genf präsentierte WTO-Verhandlungspapier, das die Eliminierung aller Exportsubventionen über ein Jahrzehnt vorschlägt, ist - da hat Fischler in seiner Reaktion sicherlich Recht - unausgewogen, indem es vor allem europäische Subventionspraktiken ins Visier nimmt und amerikanische ungeschoren lässt. Doch es macht eines deutlich: Ohne eine grundlegende Agrarreform wird die EU in einer der wichtigsten globalen Fragen auf ziemlich verlorenem Posten stehen. Wenn Frankreich und seine Verbündeten dies verhindern, wird nicht Amerika, sondern Europa zu Recht als Sündenbock dastehen.

Österreich ist in dieser Frage kein Hauptspieler. Dennoch wäre es viel wert, wenn die Grünen in den Verhandlungen gegen eine schwarze Kernlobby eine Wende in der Agrarpolitik anstreben. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 14.2.2003)