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Modell des "Urban Entertainment Center"

Foto: APA/ Schwingenschlögel

Wien - Das österreichische Komitee des UNESCO-Denkmalschutzbeirats ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) fordert eine "grundlegende Neuplanung" des Hochhaus-Projekts Wien-Mitte. Komitee-Präsident Wilfried Lipp hat am Mittwoch eine dementsprechende Stellungnahme präsentiert. Das Bauvorhaben sei mit einer dem Prädikat "Weltkulturerbe" verantwortlichen Stadtplanung derzeit nicht vereinbar, heißt es darin.

"Wir sind der Auffassung, dass eine Reduktion um ein paar Meter nicht ausreicht", betonte Lipp in einer Pressekonferenz in Wien. Die Neugestaltung des Turm-Projektes soll sich, so empfiehlt ICOMOS-Österreich, an der Höhe des benachbarten Hilton Hotels orientieren. Dieses ist rund 65 Meter hoch. Die umstrittenen Gebäude im Bereich der Bahnhofsüberbauung sollen laut derzeitigen Plänen bis zu 97 Meter hoch werden.

Rote Liste

Der Präsident des ICOMOS-Nationalkomitees, Wilfried Lipp, ist vorerst nicht dafür, die Wiener Innenstadt auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbe-Stätten zu setzen, oder gar ein "Delisting" - also eine Aberkennung - vorzunehmen. "Wir sind zuversichtlich, dass Bewegung in die Diskussion gekommen ist", verwies Lipp auf laufende Verhandlungen zwischen dem Bauträger und der Stadt Wien.

Verpflichtung zum Kulturerbe

Der heimische ICOMOS-Chef verwies auf die Bedeutung des Kulturerbe-Prädikats: "Das Bemühen der Stadt Wien um Erhaltung des historischen Erbes ist gegeben. Aber die Nominierung ist nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch eine Verpflichtung." Es wäre "schon ein Drama", wenn Wien von der Liste gestrichen würde, meinte Lipp.

Entscheidung im Juni

Negative Auswirkungen könne es dann vor allem deswegen geben, weil die städtische Entwicklung vielleicht in eine Richtung gehen würde, "die wir nicht wollen", so seine Befürchtung. Die endgültige Entscheidung wird im Juni bei einer Tagung des Welterbe-Komitees in China fallen. Meldungen, wonach die UNESCO kein Höhenlimit setzt, kommentierte Lipp folgendermaßen: "Dass man im UNESCO-Welterbebüro in Paris kein Bedenken wegen der Höhe von Wien-Mitte hat, weiß ich so nicht."

Kritik am Bericht der Stadt Wien

Kritik wird in der Stellungnahme auch am Bericht der Stadt Wien zu Wien-Mitte geübt. Die darin gebotenen Visualisierungen zeigen demnach, "dass das Projekt gegenüber dem Welterbe-Ambiente vielfach dominant und unangemessen konkurrenzierend in Erscheinung tritt". Dies treffe auch für den "Canaletto-Blick" vom Belvedere zu.

Der in Linz lehrende Städtebau-Experte Wilfried Posch trat in der Pressekonferenz der Ansicht entgegen, dass es eine "unabänderliche Rechtslage" gebe. So könnte etwa die Bundesregierung die Aufhebung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes beim Verfassungsgerichtshof beantragen. Möglich wäre dies, wenn die UNESCO auf die Einhaltung der Welterbekonvention dränge. Diese habe den Rang eines Staatsvertrags.

"Maßstäbliche Angemessenheit in Masse, Volumen und Höhe"

Das österreichische Komitee des UNESCO-Denkmalschutzbeirats ICOMOS spricht in seiner vier Seiten umfassenden Stellungnahme zu Wien-Mitte davon, dass das derzeit geplante Turm-Projekt mit dem Welterbe-Status nicht vereinbar ist.

-"Grundsätzlich: die Option städtebaulicher Entwicklung für Wien-Mitte steht außer Frage. Aber: ein hochbedeutender, gestalthaft und symbolisch so 'geladener' historischer Stadtorganismus wie das Welterbe Wien ist hinsichtlich maßstabsverändernder und zeichensetzender Maßnahmen besonders sensibel."

- "Die gewissermaßen 'allgegenwärtige' Baumassenkonfiguration von Wien-Mitte lässt sich (...) nicht allein durch 'marginale' Kürzungen der Türme korrigieren."

- "Das bedeutet die Notwendigkeit einer tiefergreifenden Um- (bzw. Neu-)planung, die dem Welterbeambiente angemessen ist und den Empfehlungen des Welterbekomitees (...) entspricht. Grundsätzlich betrifft dies auch den im Bau befindlichen 'City Tower' an der Marxergasse, für den jedenfalls zumindest die Forderung der Höhenreduktion gilt."

- "Notwendig ist also: eine architektonische Konzeption nach den Prinzipien des Kontextes und Dialogs mit den überlieferten Strukturen der Welterbezonen. Das bedingt insbesondere: eine maßstäbliche Angemessenheit in Masse, Volumen und Höhe. Als Vertikalmaß stellt die derzeitige Höhe des Hilton-Komplexes eine verbindliche Orientierung dar, Baumassengliederung und Volumina sind dem dialogischen Gebot entsprechend zu artikulieren." (APA)