Wien - "Die Grünen spüren offenbar, dass sie auf dem besten Wege sind, in eine politische Falle der ÖVP hineinzutapsen", erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures am Dienstag. Die Wiener Grünen hätten dies erkannt und wollten nun "offenbar die politische Handbremse ziehen", interpretierte Bures den einstimmigen Beschluss gegen eine Regierungskoalition mit der ÖVP.

Bures warf der ÖVP politische Unbeweglichkeit in den Regierungsverhandlungen und "Geheimdiplomatie" vor. Damit soll die politische Unbeweglichkeit der ÖVP verschleiert werden. Die Bildung einer stabilen Regierungsform sei so in weite Ferne gerückt. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel werde seinem Regierungsbildungsauftrag nicht "in angemessener Weise" gerecht, kritisierte die SP-Bundesgeschäftsführerin. Langsam verdichte sich der Eindruck, die ÖVP steuere "auf kosten der Stabilität des Landes" bewusst in Richtung Neuwahlen.

Wiens Bürgermeister und stellvertretender SP-Chef Michael Häupl kommentierte die Regierungsverhandlungen gelassener. Eine allfällige Koalition von ÖVP und Grünen auf Bundesebene hätte für ihn keine Auswirkungen auf die in Wien vereinbarte rot-grüne Zusammenarbeit. Häupl: "Was mit Chorherr vereinbart ist, hält selbstverständlich. Auf der Bundesebene sollen sie ihren Spaß haben."

Er beobachte die Gespräche mit höchster Aufmerksamkeit und freue sich bereits auf eine Einigung in Fragen des Verkehrsinfrastruktur-Ausbaus, der Sozialpolitik, der Abschaffung der Frühpensionen oder der Studiengebühren, meinte Häupl. "Die Grünen wissen offensichtlich, worauf sie sich eingelassen haben." Wie die Chancen für Schwarz-Grün stehen und ob die Verhandlungen am Widerstand der Wiener Grünen scheitern könnten, wollte Häupl nicht beurteilen. "Das ist Angelegenheit der Grünen, da misch ich mich nicht ein."

In der FPÖ schätzt Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn die Chancen für Schwarz-Grün ebenso hoch ein wie für Schwarz-Blau. Für die ÖVP gehe es nur darum, wie sie alle anderen Parteien so ins Trudeln bringen könne, dass sie am Ende alleine übrig bleibe. Prinzhorn: "Da kann man natürlich auch sagen, diese Verhandlungen seien ein taktisches Ausreifen der Positionen, um dann leichter regieren zu können. Das wäre die wohlwollende Sicht der Dinge."

Auf der "Wartebank" sieht sich Prinzhorn nicht. Sollten die Verhandlungen mit den Grünen scheitern, stünden die Freiheitlichen aber noch einmal für Koalitionsverhandlungen zur Verfügung. Wie diese ausgehen könnten, sei derzeit aber nicht absehbar, da es auch zwischen ÖVP und FPÖ erhebliche Differenzen vor allem in der Frage der Steuerpolitik und in der Pensionsreform gebe. (völ, APA, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 12.2.2003)