Als die Flügeltüren im Elysée-Palast aufgingen und die zwei Staatschefs auf ihre Rednerpulte zusteuerten, blieb Wladimir Putin stets drei Schritte hinter seinem Gastgeber. Auch bei der Ankündigung der Dreiererklärung von Frankreich, Russland und Deutschland zur Irakkrise ließ Putin bei der Pressekonferenz am Montagabend Staatschef Jacques Chirac sichtbar den Vortritt. Denn die Initiative ging von Paris aus: Chirac hatte in den vergangenen Tagen mehrere Länder wie Mexiko telefonisch kontaktiert, um im fünfzehnköpfigen UN-Sicherheitsrat eine Mehrheitsfront gegen einen Militäreinsatz der USA zu bilden.

"Russland, Deutschland und Frankreich sind für die Fortsetzung der UNO-Inspektionen und für eine wesentliche Verstärkung ihrer personellen und technischen Möglichkeiten durch alle möglichen Mittel und in Verbindung mit den Inspektoren", heißt es in der trilateralen Erklärung, die später offiziell an die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates weitergeleitet wurde. Frankreich soll derzeit einen detaillierten Vorschlag zur Vorlage im Rat vorbereiten. China schloss sich noch am Dienstag dem Vorstoß der drei Staaten an.

Nach der deutsch-französischen Kakofonie um einen gemeinsamen "Friedensplan" zeigt sich damit auch, dass dieses ominöse Projekt in erster Linie eine Weiterführung der Vorschläge ist, die Außenminister Dominique de Villepin schon vergangene Woche vor der UNO gemacht hat. Dazu gehören namentlich die Verdreifachung der Zahl der Inspektoren im Irak sowie eine bessere Luftaufklärung durch französische Mirage-Flugzeuge.

Deutsches Manöver

Paris hatte diese Vorschläge offenbar den Deutschen übermittelt, die daraus flugs ein gemeinsames Projekt machten, um aus der diplomatischen Ecke zu treten. Die von Berlin erwähnte Entsendung von Blauhelmen und die Errichtung eines Protektorats waren von französischer Seite zwar geprüft, aber als nicht realisierbar fallen gelassen worden.

Le Monde nannte am Dienstag auch das taktische Motiv dieser französischen Initiative: Der Plan sei primär für den UN-Sicherheitsrat bestimmt und solle einem amerikanisch-britischen Resolutionsentwurf für die Billigung eines Militäreinsatzes zuvorkommen. Damit versucht Frankreich die unangenehme Situation zu verhindern, ein Veto gegen die Resolution der USA und Großbritanniens einlegen zu müssen, während sich Moskau und Peking bedeckt halten.

Chirac will dies vermeiden, um sich eventuell doch noch einem Militäreinsatz gegen Saddam Hussein anschließen zu können. Deshalb versucht de Villepin, den USA ein mehrheitsfähiges politisches Gegenprojekt vorauszuschicken, das unter anderem auch von Moskau und Peking getragen wird. Dagegen müsten Washington und London wohl oder übel Nein sagen, während Paris um das Veto käme.

Fall "Tschetschenien"

Um den in der Irakkrise zurückhaltenderen Putin bei der Stange zu halten, ließ Chirac das dornenvolle Thema Tschetschenien in den Unterredungen weitgehend beseite. Nicht so der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe. Als Putin am Dienstag, dem zweiten Tag seines Frankreichbesuchs, im Rathaus der Hauptstadt empfangen wurde, erhielt er eine freundliche Empfehlung für eine "politische Lösung in Tschetschenien": "Die Größe einer Nation", so erklärte Delanoe, "misst sich auch an der Energie, die sie auf die Suche nach dem Dialog, dem Kompromiss und schließlich dem Frieden aufwendet." Putin ging in seiner Erwiderung nicht auf diese Erklärung des sozialistischen Bürgermeisters ein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.2.2003)