v.l.n.r.: Valerie Bosse (zukünftige Gedenkdienerin), Lisa Schulz (EVS-Freiwillige aus Berlin) und Susanne Üblackner (Gedenkdienst-Vorstand)
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Susanne Üblackner: "Ziel ist es, die Finanzierung für eine Stelle zu sichern, zum Beispiel in New York, und dann sollten wir die besten BewerberInnen entsenden können - egal ob Frau oder Mann"
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Lisa Schulz: "Die meisten Jungs die Gedenkdienst leisten wollen, finden es selbst auch wichtig, dass Frauen das auch machen können." Matthias (1.v.r.) kann das bezeugen.
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Susanne Üblackner: "Erst drei Wochen bevor das Auswahlseminar begonnen hat, stand überhaupt fest dass wir die Finanzierung für drei Frauen bekommen. Wir haben schon die ganze Zeit darauf gewartet."
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Valerie Bosse: "Ich habe nur ganz zufällig eine Woche vor dem Auswahlseminar von den Gedenkdienstplätzen für Frauen erfahren. Ich war zu Früh auf einer Vorlesung und habe etwas in der "Unique" darüber gelesen. Da bin ich dann sofort Heim gegangen und habe mich beworben."
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"Die Grundidee vom Gedenkdienst ist es einfach, ein Zeichen nach außen zu setzen. An Überlebende des Nationalsozialismus wo auch immer heran zu treten, und zu sagen: Wir sind eine Generation, die sich mit dem Holocaust auseinandersetzen will", erklärt Susanne Üblackner. Seit Oktober ist sie Mitglied des Gedenkdienst-Vorstandes und hat es sich zur Aufgabe gemacht, für Frauen die gleichen Möglichkeiten zu schaffen wie für Männer.

Bis vor kurzem galt nämlich: Während jährlich zwanzig Männer aus Österreich ins Ausland entsandt werden, um im Zuge des Gedenkdienstes einen Teil zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus beizutragen, wurde Frauen diese Möglichkeit nicht geboten. Heuer kann der Verein auch drei Frauen die Finanzierung eines Gedenkdienstes anbieten und entsendet Valerie Bosse, Clara Trischlei und Janine Zettl ins Ausland.

Im dieStandard.at-Interview spricht Susanne Üblackner gemeinsam mit Valerie Bosse und Lisa Schulz, eine EVS (European Voluntary Service) Freiwillige aus Deutschland, über eine Zeit die viele lieber vergessen wollen, und über die Schwierigkeiten mit denen Frauen konfrontiert sind, die sich trotzdem - oder gerade deswegen - engagieren möchten.

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dieStandard.at: Wie kommt es, dass Frauen in Österreich keinen Gedenkdienst leisten konnten?
Susanne Üblackner: Generell durften Frauen schon Gedenkdienst leisten, allerdings nur, wenn sie sich das selbst finanzieren können, was natürlich unheimlich schwierig ist. Es wurde uns bisher nur die Finanzierung von Burschen gesichert, weil die den Gedenkdienst als Auslandszivildienst anerkannt bekommen. Ein im Umfeld des Innenministeriums angesiedelter Verein "Auslandsdienst Förderverein" finanziert diesen Dienst.

dieStandard.at: Wie viel kostet es, Gedenkdienst zu leisten?
Susanne Üblackner: Das ist von Stelle zu Stelle verschieden. Man braucht in Prag natürlich weniger Geld als in New York. Männern wird ein durchschnittlicher Zivildienstplatz von 10.000 Euro finanziert. Frauen, die sich auf diesem Wege engagieren wollten, bekamen gar nichts. Sie mussten das Geld entweder aus Eigeninitiative auftreiben oder konnten es über den "European Voluntary Service" (EVS) versuchen. Das ist ein EU-Programm das Freiwillige unterstützt, aber nur auf Europa beschränkt ist. Die Finanzierung durch dem EVS kann sich als äußerst kompliziert erweisen, das Geld für die EVS-Freiwilligen kommt außerdem von der Europäischen Kommission. Das hat dann natürlich auch nicht den gleichen Stellenwert, als wenn das Geld von der Republik Österreich kommt, und diese damit ihre Verantwortung im Sinne der Aufarbeitung wahrnimmt.
Lisa Schulz: In Deutschland ist es einfacher für Frauen gleichartige Dienste etwa über Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste (ASF) zu leisten. Ich bin zum Beispiel hier in Wien und helfe Studienfahrten, Seminare und Ausstellungen rund um das Thema Nationalsozialismus zu organisieren.

dieStandard.at: Was ist 2008 anders?
Susanne Üblackner: Es ist eine Frage der Egalität aber auch Repräsentativität, dass Frauen sich genauso engagieren können wie Männer. Wir wollten dieses Jahr wirklich gezielt Gelder auch für Frauen aufstellen und haben viele ganz unterschiedliche Einrichtungen angeschrieben. Zum Beispiel das Ministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten, das Unterrichtsministerium, Verbände, Organisationen und auch alle Parteien.

dieStandard.at: Wie war die Reaktion?
Susanne Üblackner: Die ganze Bandbreite: Von gar keiner Reaktion bis hin zur Finanzierung war alles dabei. Insgesamt wurden uns drei Stellen für Frauen finanziert. Eine wird von den Grünen gesponsert, eine andere von der SPÖ und die Dritte vom Unterrichtsministerium.

dieStandard.at: Bestand großes Interesse von Frauen sich in diesem Sinne zu engagieren?
Susanne Üblackner: Das Interesse von Frauen ist immer groß gewesen. Wir wissen das zum Beispiel von der Berufs-Informations-Messe. Zwei Drittel der Leute, die Interesse zeigten, also in den Newsletter-Verteiler aufgenommen werden wollten etc., waren Frauen - also eigentlich sogar mehr Frauen als Männer. Auch bei unseren Studienfahrten sind zur Hälfte Frauen dabei.

dieStandard.at: Warum wurde Valerie Bosse als eine von drei Frauen aus Österreich, ausgewählt Gedenkdienst zu leisten?
Susanne Üblackner: Erstens hatte sie eine Menge Vorwissen und studiert Geschichte. Wichtig ist der Zugang zum Thema: Was haben die BewerberInnen schon gelesen? Wie aktiv nehmen sie an den Seminaren und auch Veranstaltungen teil? Valerie wird nach New York fahren und das ist eine Stelle, bei der die GedenkdienerInnen ZeitzeugInnen Interviewen müssen. In diesem Bereich hatte sie durch ihr Studium schon Erfahrung.
[Zu Valerie Bosse gewandt] Bei dir hat alles wunderbar für das Leo Baeck Institut gepasst.
Valerie Bosse: Das wird eine große Herausforderung. Es geht bei dieser Arbeit zum einen ja darum, wie und dass, eine jüngere Generation sich mit dem Holocaust auseinandersetzt. Zum anderen kommt uns aber natürlich bis zu einem gewissen Grad eine repräsentative Rolle zu. Den EmigrantInnen, denen ich begegnen werde, trete ich ja dann auch als Repräsentantin des heutigen Österreich gegenüber. Auch das ist ein Grund, weshalb die Arbeit des Gedenkdienstes und generell die Auseinandersetzung mit dieser Zeit so enorm wichtig ist. Wie gehen wir mit den Verfolgten, Vertriebenen heute um? Wie setzt sich eine Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit auseinander und welche Bedeutung hat das für die Gegenwart?

dieStandard.at: Ist das der Anstoß, dass ihr euch so intensiv mit dem Thema beschäftigt?
Valerie Bosse: Ich habe zu Zeiten der Schwarz-Blauen Regierung begonnen mich viel damit auseinanderzusetzen. Ich war damals 13 und da sind viele Diskussionen um das Thema Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit aufgekommen. Da habe ich begonnen, mir bewusst und reflektiert Gedanken darüber zu machen, und das hat dann auch dazu geführt, dass ich Geschichte studieren wollte. Ich habe damals nicht verstanden, wie so eine Regierung möglich ist.
Lisa Schulz: Für mich hat die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus auch sehr viel mit der Beschäftigung mit der heutigen Gesellschaft zu tun. Das hängt zusammen. Ich finde auch, dass viele Strukturen bis in die heutige Gesellschaft reichen, und um auch da etwas zu verändern, muss man sich intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen. So etwas einfach nur als eine schwarze Epoche der Geschichte darzustellen, finde ich falsch. Es geht darum, Entstehungsprozesse und Abläufe des Nationalsozialismus zu verstehen, um dann auch heutige Prozesse verstehen zu können. Und das betrifft natürlich Frauen genauso wie Männer.

dieStandard.at: Haben Männer die den Gedenkdienst im Zuge Ihres Zivildienstes machen wollen nicht Angst das ihnen durch Frauen ein Platz genommen werden könnte?
Susanne Üblackner: Nein, denn Männer und Frauen stehen in der Finanzierung in keinem Konkurrenzverhältnis. Wir können das Geld das wir über den "Auslandsdienst Förderverein" bekommen ja nur für Zivildienstpflichtige verwenden. Frauen möchten wir zusätzlich finanzieren. Wichtig ist es hier auch anzumerken, dass wir uns nicht dafür einsetzen, dass Frauen Zivildienst machen müssen. Es geht lediglich darum, dass wir in diesem speziellen Bereich, im Gedenkdienst, einen egalitären Zugang fordern und sich Frauen genauso mit diesem geschichtlich wichtigen Thema, dem Nationalsozialismus, beschäftigen können.

dieStandard.at: Wie viele Frauen würdet ihr euch für nächstes Jahr wünschen?
Susanne Üblackner: Fünf. Wir müssen das in kleinen Schritten machen, denn das ist alles von der Finanzierung abhängig. Es ist schon gut, dass wir drei Frauen haben, aber wir hatten auch Top-Bewerberinnen. Der große Appell aus unserer Sicht ist allerdings, dass die Finanzierung für Frauen konstant wird und wir aus diesen Sonderkonstruktionen, wie der Finanzierung durch einzelne Parteien, herauskommen. Außerdem würde ich mich generell freuen, wenn sich ganz viele Frauen für unseren Verein interessieren und eingebunden sein möchten, unsere Veranstaltungen besuchen, für unsere Zeitung schreiben und sich auch als Gedenkdienstleistende bewerben. Das ist ein Apell [lacht] Mädels kommts! (Madeleine Geibel, dieStandard.at/1.5.2008)