"It starts with screams but must never end in silence": Die Kampagne des Europarats stand unter dem Motto "Halt der Gewalt".
Foto: Europaratskampagnensujet Halt der Gewalt

Wien - Vergewaltigung in der Ehe muss per Gesetz zu einem Strafbestand gemacht werden. Das ist eine der sieben Hauptforderungen, die die Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) in ihrer zweijährigen Kampagne gegen die häusliche Gewalt gegen Frauen gestellt hatte. Die Mitgliedsstaaten des Europarates wollen Maßnahmen zum Opferschutz auch auf nationaler Ebene gesetzlich implementiert sehen, hieß es auf der Abschlussveranstaltung der Kampagne am Mittwoch im Wiener Parlament.

In den Köpfen etwas ändern, nicht nur in Gesetzen

"Häusliche Gewalt ist eine schwere Menschenrechtsverletzung", so der Präsident der PACE, Lluis Maria de Puig. In erster Linie sei die Bewusstseinsbildung für die Schwere des Verbrechens wichtig. BürgerInnen gehörten ermutigt, ihr "Schweigen zu brechen". Es gehe darum, nicht nur die Gesetze zu ändern, sondern auch etwas in den Köpfen, um Übergriffe auf Frauen zu beenden. Allzu oft würde dies in "machoiden und patriarchalen Gesellschaften" toleriert. Die PACE werde weiterhin gegen alle Formen der Gewalt kämpfen, um Grundrechte der Frauen zu verteidigen. Puig bezeichnete sich als "stolz" auf die Arbeit, die in seinem Heimatland Spanien in diesem Bereich schon geschehen sei.

Sieben Schlüsselpunkte

Mendes Bota, der PACE-Berichterstatter, strich die sieben Schlüsselpunkte der PACE-Kampagne gegen häusliche Gewalt hervor: Häusliche Gewalt (sowie Vergewaltigung in der Ehe) sollte im Strafrecht verankert sein, die Gewalt zwischen (ehemaligen) Partnern sollte dabei noch als erschwerender Umstand gewertet werden, für Frauen sollte eine ausreichende Zahl an Zufluchtsorten (etwa Plätze in Frauenhäusern) bestehen, Täter sollen mit einstweiligen Verfügungen aus den Wohnbereich der Frau weggewiesen werden können und der Zugang für Opfer zu Gerichtsverfahren und die Prozessbegleitung verbessert werden. Ebenso sollten für die Umsetzung der Gesetze genug finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, und eine Überwachung der implementierten Gesetze erfolgen.

Partizipation von Männern wichtig

Bis jetzt gebe es laut Bota nur ein Land, das alle sieben Forderungen erfüllen würde, nämlich Kanada - und dieses ist kein Mitglied des Europarates. Man könne erst von einem "Sieg" sprechen, wenn alle Mitgliedsländer die sieben Hauptforderungen gesetzlich implementieren würden. Für den PACE-Berichterstatter sei es "jetzt an der Zeit, ein echtes Gleichgewicht (zwischen Frauen und Männern) zu schaffen". Während der Großteil der Mitgliedsstaaten häusliche Gewalt gegen Frauen per Gesetz bereits als Verbrechen definiere, gebe es etwa noch bei der Budgetierung und Überprüfung der implementierten Gesetze großen Handlungsbedarf. Besonders wichtig sei laut Bota die Partizipation von Männern im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, sowie die besondere Betrachtung der Situation von Frauen mit Migrationshintergrund.

Verweis auf Inzest-Tragödie

"Versteckte häusliche Gewalt scheint die vorherrschende Gewalt zu sein, die in unserer Gesellschaft dominiert", betonte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. In diesem Bereich müsse man noch viel leisten. In Bezug auf den Inzest-Fall von Amstetten spricht Gusenbauer von einem "unvorstellbaren Verbrechen, das Österreich tief erschüttert" habe und den Rahmen der häuslichen Gewalt als Tatbestand sprenge.

Österreich Vorbild

In Österreich sei jede fünfte Frau mindestens einmal im Leben von Gewalt eines männlichen Angehörigen oder Bekannten betroffen, so Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Österreich nehme durch sein Gewaltschutzgesetz aus dem Jahr 1997 (SPÖ-Justizministerin Maria Berger hat am Dienstag den Entwurf für ein "Zweites Gewaltschutzgesetz" vorgestellt, mehr dazu hier) eine Vorreiterrolle im Gewaltschutz für Frauen ein. Besonders die wirtschaftliche Selbstständigkeit, ein eigener Beruf und Kinderbetreuungseinrichtungen seinen für betroffene Frauen wichtig, um sich durch Eigenständigkeit aus einer Gewaltbeziehung zurückziehen zu können.

Gisela Wurm, die Vorsitzende der österreichischen PACE-Delegation, betonte, dass Österreich seine Ausgaben für Maßnahmen gegen häusliche Gewalt seit dem Jahr 2001 kontinuierlich gesteigert habe. Im vergangenen Jahr seinen nahezu sechs Millionen Euro aufgewendet worden. Laut den Zielen der PACE-Kampagne sollte jeder Staat zumindest einen Euro pro EinwohnerInnen für den Schutz gegen häusliche Gewalt ausgeben.

"Hinter der Fassade"

Ende 2006 hat der Europarat eine Kampagne gegen häusliche Gewalt gestartet. Alle Mitgliedstaaten waren aufgefordert, der Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verstärktes Augenmerk zu widmen und sich etwa Maßnahmen für einen besseren Schutz der Opfer oder strengere gesetzlichere Bestimmungen zu überlegen.

Begleitet wird die ParlamentarierInnenkonferenz von einer Ausstellung der Medienpädagogin und Bildenden Künstlerin Ursula Kolar-Hofstätter in Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen verschiedener Interventionsstellen und Gewaltschutzzentren, die sich unter dem Titel "Hinter der Fassade" intensiv mit häuslicher Gewalt auseinander setzt und im vergangenen Jahr bereits an mehreren Orten gezeigt wurde. Die Ausstellung informiert nicht nur über die vielen Gesichter der Gewalt in der Familie, sondern beleuchtet auch Mittel und Wege, Gewalt in Beziehungen vorzubeugen und die Opfer zu schützen. Frauen harren oft lange in Gewaltbeziehungen aus, es ist notwendig, die Gewaltspirale zu durchbrechen und klar aufzuzeigen, dass häusliche Gewalt kein Kavaliersdelikt und keine Privatangelegenheit sind, lautet die klare Botschaft. (APA/red)