Mikrobiologin Brigitte Gasser zieht die Forschung der Lebensmittelproduktion vor.
Boku

Das Reich der Pilze ist weitverzweigt, vielgestaltig und steht nicht nur im Wald. Auch Hefen sind Pilze, und verschiedene Arten der Gattung Saccharomyces werden in Kesseln, Tanks und Trögen tagtäglich zur Bier-, Wein- und Brotherstellung eingespannt.

Keinen anderen Berufswunsch

Ein weiteres Helferchen der Biotechnologie ist die Hefe Pichia pastoris. Doch die Zugehörigkeit zu einer Familie macht nicht alle Mitglieder gleich. Bisher wurden die Vorgänge im Inneren dieser Art in Analogie zu einem beliebten Modellorganismus nur angenommen. "Unsere Forschung hat aber gezeigt, dass sich Pichia pastoris vor allem in Bezug auf Gestalt und Exportmechanismus der erzeugten Proteine deutlich unterscheidet", sagt Brigitte Gasser vom Institut für Angewandte Mikrobiologie der Universität für Bodenkultur. Entsprechend viel Neues gibt es zu entdecken, freut sich die Forscherin, die sich an keinen anderen Berufswunsch erinnern kann.

Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Optimierung von Pichia pastoris auf die Bedürfnisse der Biotechnologie: "Wenn wir verstehen, wie die Synthesemaschinen der Zellen funktionieren, können wir sie auch gezielt verändern und die erzielten Verbesserungen quantitativ erfassen", stellt die Wissenschafterin klar. Um zu verstehen, was im Inneren vor sich geht, werden im Labor eine Reihe von Analysen auf Zellebene - von der Regulation der Gene bis hin zur Reaktion auf Stress - durchgeführt, die nur gemeinsam aussagekräftig sind.

Lebensmittel- und Biotechnologie (LMBT) war für die Villacherin die ideale Kombination aus Biologie und Chemie, zusätzlich sehr lebensnah, interdisziplinär. Sie forschte auch in Finnland, dem europäischen Eldorado in Sachen staatliche Quote für Forschung und Entwicklung. Die Förderung ermöglicht es WissenschafterInnen - und auch DoktoratsstudentInnen - "sich tatsächlich um Wissenschaft zu kümmern und nicht nebenbei den Routinelaborbetrieb aufrechterhalten zu müssen", urteilt die 29-Jährige rückblickend.
Im englischen Reading genoss sie das internationale Umfeld auf einem typischen Campus, einer "Uni im Park", mit vielen Studierenden im europäischen Austausch-Programm Erasmus und aus dem gesamtem ehemaligen Commonwealth.

Kreativität gefordert

Die Patentinhaberin und mehrfache Autorin in internationalen Publikationen empfiehlt kurz und bündig folgende Vorgangsweise: Erst die Daten, dann die Bilder, dann der Text. Auch die Lehre an der Boku macht ihr Spaß und fordert sie: "Weiterbildung ist also schon deswegen Pflicht, um die Fragen der Studierenden beantworten zu können." Eine gute Mikrobiologin braucht vor allem Hingabe, meint Gasser: "Es ist so ähnlich wie beim Kochen: Rezepte nachmachen können viele, aber um gut zu sein, ist Kreativität gefordert".
Wenn sie nicht im Labor steht, ist Wasser ihr Element beim Schwimmen und Segeln. Auch Lesen und Reisen gehört zu ihren Hobbys. Bei einem zeitaufwändigen Job darf man nicht auf Privatleben und Sport verzichten, sonst leidet die Arbeit darunter, ist ihre Devise.

Selbst Käse, Bier oder Wein herzustellen reizt sie nicht: "Das können andere viel besser!" Während zahlreicher Praktika etwa bei Biochemie Kundl oder der Ottakringer Brauerei stellte sie fest, "dass Biotechnologie und Forschung für mich faszinierender sind als die Lebensmittelproduktion". (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe 16.04.2008)