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Foto: Reuters/Eckel

Graz - "Ich hab' mich zuerst fast geschreckt", erinnert sich der kommunistische Wohnungsstadtrat Ernest Kaltenegger an die Grazer Wahlen vor zwei Wochen, wo er mit dem historisches Ergebnis von 21 Prozent für seine Partei konfrontiert wurde. Mit dem Slogan "Ein Bad für jede Gemeindewohnung" punktete er wohl auch bei jenen, die über Luxuswannen verfügen. "Die Bürgerlichen haben mich nicht wegen ihres schlechten Gewissens, sondern als Akt der Solidarität gewählt", ist der Politiker überzeugt.

Beim samstäglichen Besuch des Marktes auf dem Grazer Lendplatz, wo dem "Engel der Mieter" noch nach 14 Tagen gratuliert wird, hat er sich vom Schrecken wieder erholt. Dass die Grünen eine rot-rot-grüne Koalition in der Stadt wollen und Kaltenegger dann als Bürgermeister infrage käme, rührt ihn wenig. Es hat beinah den Anschein, als würde man einen passionierten Baumeister fragen, ob er in die Politik einsteigen wolle, wenn Kaltenegger abwinkt: "Ich bin nicht als Bürgermeisterkandidat angetreten. Wir stecken mitten in den Sanierungsarbeiten."

Als die Grazer KPÖ 1983 auf ihrem Tiefstand von 1,8 Prozent war, war es Kalteneggers Idee, sich auf das Thema Wohnen einzuschießen: "Das hat mich persönlich interessiert, weil ich so oft umgezogen bin." Vor 20 Jahren bezog Kaltenegger selbst eine Substandardwohnung, allerdings im gutbürgerlichen Bezirk Mariagrün. "Eine kleine Partei muss sich auf Schwerpunkte konzentrieren. Auch in anderen Städten muss sich die KPÖ erst einmal vor Ort verankern. Aber dann muss man jahrelang am Erfolg arbeiten."

Doch mit welchen anderen Themen werden sich zwei Stadträte und zwölf Gemeinderäte der KPÖ beschäftigen? Was beim Wohnungsproblem evident ist, sieht Kaltenegger in jedem Bereich, nämlich den sozialen Aspekt: "Für mich ist Kulturpolitik auch Sozialpolitik. Wegen der Lebenssituation vieler Künstler. Aber egal, welches Ressort wir kriegen, wir haben für alles kompetente Personen." Auch für die Frauenpolitik habe man nun viele neue, junge Frauen, die auf der Liste weiter hinten standen und nun drankämen.

Von Karl Marx spricht er an diesem Samstag nur kurz: Als er im "Mohrenwirt" einkehrt, wird er von einer Stammtischrunde pensionierter Betriebsräte, KP- und SP-Funktionäre freudig begrüßt. Unter ihnen auch ein Herr Karl Marx aus Graz. Kaltenegger weiß, dass es in der KP-Basis auch junge Leute gibt, die meinen, man könne ruhig mehr Farbe bekennen, er glaubt aber, dass Ideologie "in der Kommunalpolitik nicht so wichtig ist. Da wirkt sich jeder Beschluss unmittelbar auf Leute aus."

Das hartnäckige Gerücht, Kaltenegger habe sich bei Abstimmungen in Stadtregierungssitzungen gerne absentiert, dementiert er energisch: "Das stimmt absolut nicht! Höchstens, wenn man zum Beispiel tagelang herumstreitet, ob wir 15 oder 20 Standln auf den Hauptplatz stellen. Da halt' ich mich eher zurück." (DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2003)