Berlin/Bagdad - Deutschland und Frankreich arbeiten an einem umfassenden Alternativplan zur kompletten Entwaffnung des Irak. Dies berichtet das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner neuen Ausgabe. Um einen Krieg zu vermeiden, sollen UNO-Soldaten jahrelang faktisch die Kontrolle des Landes übernehmen und die Abrüstung garantieren. Ein deutscher Regierungssprecher bestätigte, dass es "gemeinsame Überlegungen zu konkreten friedlichen Alternativen" gibt. Amerikanische und britische Diplomaten begannen unterdessen bei den Vereinten Nationen in New York mit Beratungen über eine mögliche neue Irak-Resolution.

Irak komplett zur Flugverbotszone

Nach Angaben des "Spiegel" sehen die deutsch-französischen Überlegungen vor, den Irak komplett zur Flugverbotszone zu erklären. Französische Aufklärungsflugzeuge vom Typ "Mirage IV" sollten aus der Luft die Arbeit der Inspektoren unterstützen, deren Zahl dann verdreifacht würde. Zu einem engmaschigen Netz von Sanktionen gehörten auch verschärfte Exportkontrollen in den Industrieländern und internationale Abkommen mit den Irak-Nachbarstaaten, um den Erdölschmuggel zu verhindern, der als wichtigste Einnahmequelle gilt.

Friedliche Entwaffnung

Der Regierungssprecher wies darauf hin, Deutschland und Frankreich hätten auf der Sitzung des Weltsicherheitsrats am vergangenen Mittwoch erklärt, alle Optionen auszuschöpfen, um die Resolution 1441 zur Entwaffnung Iraks friedlich umzusetzen. Wie der "Spiegel" schreibt, soll das Konzept möglicherweise als deutsch-französischer Resolutionsentwurf in den Weltsicherheitsrat eingebracht werden. An dem Modell werde seit Anfang des Jahres im Kanzleramt und im Elysee-Palast gearbeitet.

Schaffung eines "robusten Abrüstungsregimes"

Das Konzept werde zugleich mit Kritikern der US-Strategie, wie dem amtierenden EU-Ratspräsidenten, Griechenlands Ministerpräsidenten Costas Simitis, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem chinesischen Vizepräsidenten Hu Jintao sondiert, heißt es in dem Bericht weiter. Ziel sei die Schaffung eines "robusten Abrüstungsregimes" für den Irak. Das Magazin zitiert dabei ein nicht genanntes deutsches Regierungsmitglied mit dem Satz: "Wenn sich diese Idee eines robusten Abrüstungsregimes durchsetzt, dann ist Deutschland mit dabei". Eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag hat die Berliner Regierung dagegen stets strikt abgelehnt.

Umfassende Zusammenarbeit

In Erwartung deutlicher Zugeständnisse von Seiten des Irak sind die Leiter der UNO-Waffenkontrollen am Samstag wieder in Bagdad eingetroffen. Hans Blix und Mohamed El Baradei wollten in Gesprächen mit der irakischen Regierung auf eine umfassende Zusammenarbeit mit den Inspektoren dringen. Zu den Aussichten der zweitägigen Reise wollte sich Blix nicht äußern. El Baradei erklärte: "Wir müssen schnell Fortschritte machen, denn die Inspektionen sind eine Alternative zum Krieg und nicht sein Vorspiel."

Fortgang der Kontrollen

Die UNO-Inspektoren wollen dem Sicherheitsrat am 14. Februar wieder über den Fortgang der Kontrollen im Irak Bericht erstatten. Ihre Einschätzung könnte einen Einfluss darauf haben, ob es zum Krieg gegen den Irak kommt. Blix und El Baradei wollen den Irak unter anderem dazu bewegen, Flüge von Spionageflugzeugen des amerikanischen Typs U-2 zuzulassen. Darüber hinaus erwarten sie Fortschritte bei der Umsetzung der UNO-Forderung nach einem Verbot von Massenvernichtungswaffen auf irakischem Boden. Die UNO-Experten inspizierten am Samstag im Irak weitere Einrichtungen.

Zweite Irak-Resolution

Die USA und Großbritannien bereiten derzeit offenbar eine zweite Irak-Resolution vor, mit der ein Militäreinsatz gegen Irak nur indirekt autorisiert werden soll. Um ein Veto Frankreichs zu vermeiden, werde in dem Entwurf auf eine direkte Benennung der Kriegs-Option verzichtet, berichtete die britische Tageszeitung "The Independent" (Samstagausgabe) unter Berufung auf britische Regierungsvertreter. Stattdessen solle dem irakischen Machthaber Saddam Hussein eine enge Frist zur vollständigen Zusammenarbeit mit den UNO-Inspektoren gesetzt werden. Im Weltsicherheitsrat findet sich jedoch derzeit keine Mehrheit für eine neue Irak-Resolution. Nach Angaben des französischen UNO-Botschafters Jean-David Levitte unterstützen zehn bis elf der 15 Sicherheitsratsmitglieder anhaltende Inspektionen. Dazu zählen die Vetomächte Frankreich, Russland und China.

Im Zuge der Vorbereitungen auf einen Krieg begannen die USA damit, ihr Botschaftspersonal in mehreren Staaten des Nahen Ostens in Sicherheit zu bringen. Ferner schlossen die USA bis auf weiteres ihre Interessenvertretung in Bagdad, die dort in der polnischen Botschaft untergebracht war. (APA/Reuters)