Im Pressetext zur diesjährigen kulturhauptstädtischen Konzertreihe Ikonen des 20. Jahrhunderts wird richtig und triftig auf einen Mann verwiesen, dessen radikales Musikdenken die Entwicklung der Gegenwartsmusik nicht unwesentlich beeinflusst hat:

Die Rede ist von Ferruccio Busoni (1866 - 1924), dessen visionäre Kampfschrift Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (1907) schon vor Arnold Schönberg von neuen Ordnungsprinzipien des musikalischen Ausdrucks handelte und viele Merkmale der sich später entfaltenden musikalischen Avantgarde theoretisch vorwegnahm.

Ergänzend darf in aller Bescheidenheit hinzugefügt werden, dass sich Ferruccio Busonis Eltern, der berühmte Klarinettist Ferdinando Busoni und die aus Deutschland stammende Pianistin Anna Weiss-Busoni, im Jahr 1887 in einem der wesentlichen Kulturzentren der k. k. Monarchie, nämlich - man höre und staune - in Graz, niederließen, um ihrem damals 12-jährigen und schon als pianistisches Wunderkind geltenden Sohn eine profunde theoretische Ausbildung zu ermöglichen.

Zum glänzenden Ruf dieser Stadt trug zu dieser Zeit nämlich ganz wesentlich ein als sehr beleibt und "schlagflüssig" beschriebener universeller Musiker bei, der nicht nur den Musikverein für Steiermark erfolgreich leitete, sondern auch auch als Komponist und vor allem als Lehrer weithin geschätzt war. Es handelt sich um einen gewissen Dr. Wilhelm Mayer (1831 - 1898), der seine Kompositionen mit dem Pseudonym W. A. Remy signierte. Aus Prag gebürtig, gehörte er wie Eduard Hanslick einem Davidsbündler genannten Kreis von Schumann-Enthusiasten an.

Zu seinen Schülern zählten immerhin Emil Nikolaus von Reznicek (Donna Diana), Richard Heuberger (Der Opernball), der Dirigent Felix Weingartner und der Evangelimann-Komponist Wilhelm Kienzl. Letzterer war es auch, der den erst 14-jährigen Busoni im Jahr 1880 mit Wilhelm Mayer bekannt machte. Als Busoni ihm ein eben komponiertes Stabat Mater vorlegte, nahm in Mayer gnädig in seine Klasse auf.

Busoni absolvierte die tyrannisch strenge Kompositionslehre, indem er jedes Wort seines Lehrers getreulich protokollierte, mit erstaunlicher Brillanz und so großem Tempo, dass Busonis Eltern, nachdem der erfolgreiche Filius mit großem Erfolg auch noch ein Konzert mit eigenen Werken dirigiert hatte, schon im März 1881 ihre Zelte in Graz abbrechen konnten.

Prägende künstlerische Eindrücke erfuhr der junge Busoni in seinen Grazer Jahren vor allem auch durch die Aufführungen im Grazer Opernhaus, das damals - wie kein geringerer als H. H. Stuckenschmidt festhält - zu den führenden österreichischen Bühnen zählte. (DER STANDARD, ALBUM, Printausgabe vom 8./9.2.2003)