Wien/Innsbruck - "So werdet Ihr zu einer Dreiprozentpartei, gewählt von Großwildwildjägern und Grafen!" So empört sich "Strutz" auf der Grünen-Homepage - und spricht vielen Wiener Grünen aus der Seele. "Ich kriege viele Mails, warum wir verhandeln", erzählt die Wiener Stadträtin Maria Vassilakou. Das ist ein Grund, warum die Wiener die Bastion des Widerstands geben. Wichtiger seien Inhalte: "Die Ergebnisse sind total mager. Wenn sich die ÖVP in den Sondierungen nicht bewegt - warum soll sie sich in Verhandlungen bewegen?" Montag beraten Wiens Grüne, ohne Chef, Christoph Chorherr weilt im Busch Südafrikas. Warum der Protest mit dem Abstand zu Wien sinkt, erklärt Vassilakou so: "Ab Salzburg haben die Grünen einen anderen Zugang zur ÖVP."

Georg Willi, Tiroler Grünen-Chef, sieht einen generellen Unterschied zwischen den Landesgruppen: "In Wien wird alles immer heißer gegessen. Wir sind eher gelassener." Dabei laufe in der Tiroler Landespolitik ein Match zwischen ÖVP und Grünen.

Empirisch ist die Trennung in bürgerliche und linke Grün-WählerInnen nicht belegbar, sagt Christoph Hofinger vom Institut Sora: "Die Grün-Wähler sind bürgerlich und links zugleich." Zwei Drittel der Grün-Wähler sehen sich als links (was ein Drittel der SP-WählerInnen tun) - egal, ob in Innsbruck oder Wien. Auch ein Stadt-Land-Gefälle der WählerInnen sieht er nicht: "Die Grünen sind da wie dort eine Bildungsschichtpartei. Über 50 Prozent ihrer Wähler haben Matura, aber nur 25 Prozent aller Wähler. Bei der letzten Wahl gelang es den Grünen nicht, sich außerhalb der Bildungsschicht festzusetzen, daher waren sie am Land schwach."

Beispiel Tirol: Dort findet man das Gros der Grün-WählerInnen im Großraum Innsbruck. "Je urbaner, desto grüner", bringt es Willi auf den Punkt. Am Land zog die Negativkampagne der VP gegen die Grünen, sagt Hofinger. Im Umkehrschluss könnten die Grünen dort bei Schwarz-Grün punkten: "Die Koalition wäre die offizielle Rücknahme der Vorwürfe durch die ÖVP." Im Gegensatz zu den Wiener Grünen glaubt Hofinger nicht an eine Erosion der Wähler in den Städten: "Man darf die Funktionäre nicht mit den Wählern verwechseln."

Durchschnittsalter 36

Denn die WählerInnen seien in Wien gleich wie anderswo: Sie sind mit 36 besonders jung (bei der SPÖ liegt das Durchschnittsalter bei 48 Jahren). Sie sind gebildet, vor allem angestellt und im öffentlichen Dienst. Von den berufstätigen Grün-WählerInnen ist jede/r fünfte selbstständig - so viel wie bei der ÖVP. Besonders hoch ist die Wählerquote an Unis und höheren Schulen: Jede/r fünfte Grün-WählerIn ist in Ausbildung - bei den anderen Parteien liegt dieser Wert bei fünf Prozent. Der Bundesparteizentrale der Grünen macht eine Zielgruppe Sorgen: Frauen. Hier hat man seit der Nationalratswahl 1999 etwas verloren.

Aus den Daten ergeben sich für Hofinger Konsequenzen für den Regierungskurs: "Im Bildungsbereich müssen die Grünen besonders auf ihre Klientel achten. Das Hauptwahlmotiv ist Ökologie, da brauchen sie Vorzeigeprojekte. Sozialpolitik wäre die Kür, mit der die Grünen im SP-Bereich fischen könnten." Wobei Hofinger im Fall einer Koalition den Grünen jedes Wahlergebnis zwischen drei und 20 Prozent zutraut. Sind doch die Grün-WählerInnen besonders mobil: Nur 70 Prozent sind StammwählerInnen. So wenig wie bei keiner anderen Partei. (Eva Linsinger, Peter Mayr, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 8./9.2.2003)