Berlin - "Der führende Entzauberer unter Europas Politikern ist Bundeskanzler in Wien", schreibt die "Berliner Zeitung" (Freitag-Ausgabe) und fügt hinzu: "Wolfgang Schüssels (ÖVP) Fähigkeit, jedes beliebige Prinzip jeder beliebigen Partei oder Person zum Verschwinden zu bringen, hat er vor vier Jahren an sich selbst erstmals unter Beweis gestellt: Seiner Versicherung, im Falle einer Niederlage bei der Nationalratswahl jedenfalls in die Opposition zu gehen und keinesfalls eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ Jörg Haiders einzugehen, folgte - nach der Wahlniederlage seiner ÖVP - die Koalition mit der FPÖ. Aber es dauerte nicht lange, dann waren in der Regierung - dank Schüssel - alle Rückstände der Protestschminke, die die FPÖ zum Gefallen ihrer Wähler aufgetragen hatte, rückstandslos verdampft - nach der Nationalratswahl am 24. November vergangenen Jahres war die Partei marginalisiert, die ÖVP aufgestiegen zur beherrschenden politischen Kraft in Österreich."

"In diesen Tagen bereitet Wolfgang Schüssel die nächste Entzauberung vor: Nach anfänglichem Widerstand haben sich die Grünen bereit erklärt, in Koalitionsverhandlungen mit Schüssel einzutreten. Sollten die in eine Regierungsbildung münden, wäre das nicht nur die erste Koalition von Bürgerlichen und Grünen in Europa. Vor allem ist die Angst der Grünen, die Verbindung könne die Partei zerreißen, nicht ganz unbegründet. Die Differenzen mit der ÖVP - beispielsweise in der Asyl- und Sicherheitspolitik - ließen sich wohl überwinden. Aber für manchen sähe diese Überwindung der Entzauberung zum Verwechseln ähnlich." (APA)