Fünf österreichische Journalistinnen sitzen Anfang Jänner bei 15 Grad plus in mildem Sonnenlicht auf einer Weinlaub-umrankten Terrasse in Monte Carlo und sehen einem Mann dabei zu, wie er eine schwere (wahrscheinlich sauteure) Murano-Glas-Vase in eine Strumpfhose stopft, den Strumpf samt Vase aufhebt, in der Luft schwenkt, hier zieht und dort zerrt, um zu beweisen, dass er die erste laufmaschenfeste Strumpfhose der Welt erfunden hat.

Vor zwei Stunden haben sie sich in Wien-Schwechat bei 10 Grad minus und dichtem Schneefall in einen beunruhigend kleinen Flieger geschlichtet, um auf Kosten eines unbekannten Multimillionärs namens José Eisenberg zu diesem nach Monaco zu fliegen. Jetzt sind sie mit dem Unbekannten bereits auf "José" (natürlich französisch gesprochen: Schosee!), weil dieser zuvorkommende, freundliche ältere Herr im weißen Seidenhemd einem ja praktisch keine andere Wahl lässt. José hat, wie er behauptet und mit seiner Murano-Vase beweist, nicht nur eine besondere Strumpfhose, sondern auch eine besondere Pflegecreme-Serie entwickelt - und er scheut weder Kosten noch Mühen, um beides an die Österreicherin zu bringen. Aus diesem Grund sind wir hier in Monaco, aus diesem Grund ist er mit uns auf "chères dames" und wir mit ihm auf "Schosee". Er hat uns in sein Büro geladen, in die Beletage eines eleganten Hochhauses, in dem auch Gerhard Berger und Ringo Starr wohnen.

Egal: Im Arbeitszimmer hängen zwei Picassos, in der Vitrine steht die blaue Mauritius, im Hintergrund glitzern der Jachthafen und Monacos Fürstenschloss. Aber wir sind schließlich nicht zum Vergnügen hier, der Millionär will uns etwas verkaufen, also los geht's: Die Produkte heißen wie der Mann ("José Eisenberg"), und der hat nichts dem Zufall überlassen. Natürlich tragen Parfum und Eau de Toilette den Titel "J'ose" (ich traue mich) - in Anspielung auf seinen Vornamen. Natürlich hat er auch die Verpackung selbst entworfen, alle seine Verpackungen tragen fortlaufende Nummern, verborgen im Namenszug-Logo, wie das Wasserzeichen bei Geldscheinen.

Wer auf das Äußere so viel Wert liegt, lässt sich auch beim Inhalt nicht lumpen: Eisenberg wollte "etwas Neues" erfinden, etwas, "das die Schönheit der Frauen noch unterstreicht". Ich bin sofort bereit, ihm zu glauben, die Kolleginnen - im Gegensatz zu mir allesamt Profis in der Schönheitsbranche - sind skeptisch: Legionen von Kosmetikherstellern behaupten seit jeher von sich, das Neue, das Ultimative, das Allerbeste erfunden zu haben. Eisenbergs Pflegeprodukte "greifen positiv in die DNA der Haut ein", wie er uns in perfektem Deutsch verheißt. Ich bin schockiert, die Kolleginnen zucken die Achseln: Jede vernünftige Creme tue das heutzutage. Er gebe, schwärmt Eisenberg, "der Haut ihr Gedächtnis zurück" und helfe ihr, sich selbst zu erneuern. Es folgt ein Schwall von Fachausdrücken: "Trio-Moléculaire", "Enzyme mit keratolytischem Effekt", "sauerstoffreiche Bio-Stimuline", "Cytokine zur Selbstkontrolle der Zellen". Angeblich sind diese Wunderteilchen auch in seiner "Pflegestrumpfhose" enthalten, die man nur anziehen braucht - schon verjüngt und verdünnt sich das Bein, verschwindet Cellulite, wird man insgesamt und überhaupt schöner.

Was mehr Eindruck macht als das Eigenlob Eisenbergs sind seine Investitionen in die Produktsicherheit. Er hat seine Cremes und Masken nicht nur einer ausgedehnten Testserie der Universität Pavia unterzogen, die Eisenberg-Produkte entsprechen auch den Arzneimittel-Auflagen der Helsinki-Deklaration. Nichts hat Eisenberg dem Zufall überlassen - er tut alles, um auch im qualitäts-hysterischen Amerika zu reüssieren. Die Laborchefin hat das Sitzungszimmer flugs in ein Schönheitsstudio umgewandelt: Die Döschen, Tiegelchen, Fluids und Seren werden nun im Eigenversuch getestet, und auch die Profis zollen Respekt: Jahaa, die Haut fühlt sich wunderbar an, die Falten werden weniger, und die Augenringe - viel schwächer als in der Früh, beim Schneegestöber in Wien! "Schosee" bleibt derweil bescheiden im Hintergrund, lobt mal die Alabasterhaut, mal den "amerikanischen Teint" und findet uns allesamt "ravissantes". Schließlich stecke in jeder Frau eine Schönheit, predigt er.

Der Nachmittag ist für Einzelinterviews reserviert: 15 Jahre und 40 Millionen Euro habe er in die Entwicklung seiner Produkte investiert, wichtig sei ihm nie das Geld gewesen, nur die Idee, die er unbedingt verwirklichen wollte. Na schön. Und woher kamen dann die 40 Millionen Euro? Büro und Wohnsitz Monaco? Picasso? Die Mauritius? Eisenberg redet viel und verrät wenig: Seine Familie stammt aus Czernowitz, sein Vater produzierte Stoffe. Die Familie flüchtet vor Nazis und Krieg nach Florenz, dort wird José geboren, dort geht er zur Schule, und dort steigt er direkt in das Modebusiness ein.

Für alle wichtigen Designer, von Valentino bis Ferré, habe er (natürlich unter deren Namen) Kreationen gezeichnet und auch produziert. Am Ende soll er in Frankreich bis zu 5000 Leute beschäftigt haben, doch die Schnelllebigkeit des Fashionbetriebs nervte ihn. Er verkaufte seine Firma stückweise, um etwas "Bleibendes" zu schaffen - etwa eine Pflegeserie namens "José Eisenberg".

In Frankreich, England, Belgien und Monaco sei er bereits sehr erfolgreich, sagt Eisenberg, auch mit den Strumpfhosen, für deren Entwicklung er sich "international beraten" habe lassen. Er sagt das, um das lästige Gerücht los zu werden, das Knowhow sowohl für die Pflege-als auch für die laufmaschenfeste Strumpfhose habe eigentlich die österreichische Firma Wolford entwickelt. Nein, keineswegs, beteuert Eisenberg. Alles habe er selbst erfunden.

Die Sonne ist mittlerweile vor Monaco im goldroten Mittelmeer untergegangen, und wir sind milde gestimmt. Immerhin scheint der Mann zu seinen Produkten zu stehen: Denn einer wie er, mit so viel Geld im Rücken, hätte es eigentlich nicht nötig, einen ganzen, anstrengenden Tag mit Journalistinnen zu verbringen - er hätte diese enervierende Aufgabe auch seiner Marketing-Chefin übertragen können. Hat er aber nicht. Wir steigen wieder in den beunruhigend engen Flieger, allesamt umarmt und abge-"baiser"-t von José, und schaukeln zurück in das Wiener Schneegestöber.

Dort wartet schon ein E-Mail. Er war entzückt, mich zu empfangen, schreibt er, und außerdem hofft er, mich eines Tages "im Dienste der Schönheit" wieder in Monaco zu empfangen. Darauf hoffe ich auch. (Der Standard/rondo/07/02/2003)