Über die Bedrohung durch Microsoft, die Suche nach neuen Kundenschichten, die Konvergenz mit Handys und über künftige Innovationen bei Organizern sprach der CEO der Palm Solutions Group, Todd Bradley, mit Helmut Spudich.

STANDARD: Die Marktentwicklung für PDA – Personal Digital Assistants – war 2002 schlecht, mit einem weltweiten Rückgang von neun Prozent, in Europa von sieben Prozent. Wie hat Palm 2002 abgeschnitten?

Bradley: 2002 war der Beginn des Turnaround bei Palm. Wir haben uns auf einige Dinge konzentriert: Das Palm-Betriebssystem auf Vordermann zu bringen; wie wir den Markt durch neue Kundenschichten beleben können, und schließlich sinnvolle Innovationen bei unserer Produktlinie. Während der Markt insgesamt zurückging, haben wir unseren Anteil gehalten, in Europa gegen Ende des Jahres ausgebaut. Das ist uns trotz neuer Konkurrenz, insbesondere von Sony, gelungen.

Der Rückgang wurde vor allem durch den Rückgang der IT-Ausgaben verursacht, darum habe wir uns auf eine Produktlinie konzentriert, die nach Kundensegmenten und in 100-Euro-Schritten gestaltet ist.

Die Einführung von Zire (einem 120-Euro-Organizer, Anm.) war sehr erfolgreich: Über 90 Prozent der Käufer sind neue Kunden und PDA-Einsteiger. Zum Jahresende konnten wir unseren Anteil von über 50 Prozent am US-Markt halten, in Europa waren die fünf meist verkauften PDAs Ende 2002 alles Palm-Geräte. Schließlich haben wir zum ersten Mal in acht Quartalen einen operativen Ge winn melden können.

STANDARD: Microsoft wird als Ihr größter Konkurrent und Ihre größte Bedrohung gesehen, mit viel Geld, um seinen Anstrengungen Nachdruck zu verleihen. Obendrein bevorzugen es IT-Manager, nur eine Plattform unterstützen zu müssen. Wie begegnen Sie der Bedrohung?

Bradley:Wir haben viele Konkurrenten, Microsoft, Sony und andere. Aber wir sehen den Handheld als Zugang zu Ihrer Information, nicht als Kopie des Desktop-PC. Microsofts PocketPC versucht hingegen, den Desktop auf einem Handheld zu replizieren. Wir konzentrieren uns darauf, wie man einfach und sicher an all die Information kommt, die im Desktop sind, nicht aber wie man den PC dupliziert. Darum erhalten wir bei unseren Handhelds viel Speicherplatz, da mit man auch anderes tun kann, eine sehr einfache Navigation zur Benutzung, die Palm-Produkte so verlockend macht, und dieses Konzept dehnen wir in viele unternehmensbezogene Anwendungen aus. Microsoft wird sicherlich ein schlagkräftiger Konkurrent sein – aber man muss nicht alles wörtlich nehmen, was über Microsoft gesagt wird. Theoretisch hätten sie uns schon vor zwei Jahren aus dem Geschäft verdrängen sollen, aber nach zwei Jahren haben wir noch immer über 50 Prozent Marktanteil.

STANDARD: Ein Großteil der Organizer wird von Einzelpersonen, nicht Unternehmen gekauft. Wird dieser Markt weiterhin eine Art Privataffäre von Benutzern bleiben?

Bradley: Der Markt für PDAs ist einer mit sehr geringer Penetration – weniger als zehn Prozent der Menschen benutzen Organizer. Es wird also noch ein riesiges Wachstum geben. In unserer Marktstrategie trennen wir zwischen Geräten für individuelle Konsumenten und solchen, die stärker an Unternehmensbedürfnissen orientiert sind. Eindeutig werden künftig die IT-Manager der Welt für die Kaufentscheidungen wichtiger werden als derzeit.

Darum konzentrieren wir uns auch neuerdings auf Fragen wie Total Cost of Ownership für das Unternehmen und besonders sichere Anwendungen.

STANDARD: Im Vergleich zu Handys oder PCs sind zehn Prozent Verbreitung für die Industrie sehr enttäuschend. Kann es sein, dass Organizer ein Nischenprodukt bleiben?

Bradley: Organizer sind dabei, ein Massenprodukt zu wer den. Die ersten fünf Jahre in diesem Markt waren sehr von mobilen Berufsgruppen und deren Wünsche bestimmt. Mit einem Produkt wie Zire (Bild) setzen wir uns davon in vielerlei Hinsicht ab: Sowohl von der Art des Geräts als auch der Art des Marktauftritts dringen diese Produkte viel mehr als bisher in den Massenmarkt.

Palm Zire

STANDARD: Wird es ein Zusammenwachsen von Handys und Organizern geben?

Bradley: Solche Konvergenz gibt es bereits, bei Geräten wie dem Handspring Treo oder dem Nokia Communicator. Der Palm Tungsten W (mit integriertem GPRS-Telefon, Anm.) beispielsweise ist ein sehr datenzentriertes mobiles Gerät. Telefonieren ist dabei eine weitere Anwendung, aber nicht der ausschlaggebende Grund, das Gerät zu kaufen. Die Gefahr ist, dass Geräte entstehen, die weder gute Handys noch gute Organizer sind, aber alles können. Wann ist ein Smart Phone verlockend genug, um große Käuferzahlen anzuziehen? Alle in der Industrie verwenden viel Zeit darauf, das herauszufinden und zu entwickeln.

STANDARD: Welche Verbesse rungen und Innovationen wer den wir in den beiden nächsten Jahren sehen?

Bradley: Unter anderem mehr Geräte, die drahtlose Technik integriert haben. Wie bei den Handys wird es mehr Unter haltungselektronik in den PDAs geben – einiges davon gibt es bereits von Drittherstellern, etwa Kameras oder Musik- und Videoprogramme. Die Geräte werden "consumeri zed" werden. In technischer Hinsicht werden die Bild schirme besser und heller, was die Geräte benutzer freundlicher macht, und es wird dank leistungsfähigerer Prozessoren weitere Programme für vielfältige An wendungen geben. Letztlich konzentrieren wir uns alle auf die Batterielebensdauer.

STANDARD: Bildschirme sind bei elektronischen Geräte weiterhin ein Flaschenhals der Entwicklung. Sehen sie eine marktreife, bessere Bild schirmtechnik in absehbarer Zukunft?

Bradley: Man sieht bereits Fortschritte in der Evolution unserer Geräte im vergangenen Jahr, etwa von der 500-Se rie mit relativ matten Farbbildschirmen, zu den helleren, hochauflösenden Schirmen der Tungsten-Reihe mit kräftigen Farben. Wir glauben, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.

STANDARD: Palm bereitet eine Trennung in zwei Unterneh men vor, dem Betriebssystem-Hersteller Palm Source und den Gerätehersteller Palm Solutions Group. Warum?

Bradley: Durch die Aufteilung gibt es zwei Unternehmen, die Marktführer sind und sich besser auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können – Palm Source soll das beste Handheld-Betriebssystem der Welt herstellen, und die Palm Solutions Group soll nicht nur gute Hardware herstellen, sondern auch spezifische Anwendungen herausbringen, die es nur bei uns und nicht bei anderen Lizenzneh mern gibt. Die Trennung wird auch neue Investoren bringen. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.2. 2003)