Wien - Internationale wissenschaftliche Untersuchungen zeigen alle in die selbe Richtung: Mädchen und Frauen sind signifikant vulnerabler und unzufriedener mit sich selbst und ihrer Attraktivität als Männer.

Die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger kritisierte in diesem Zusammenhang die von Medien und Werbung vermittelten Schönheitsideale für Frauen. Eine empirische Untersuchung an 656 Wiener Frauen im Jahr 2005 habe ergeben, dass 83 Prozent der Frauen mit ihren Körperproportionen unzufrieden sind und 80 Prozent der Frauen ihren Selbstwert vom Gewicht abhängig machen, stellte Wimmer-Puchinger am Freitag in einer Aussendung fest.

Die Folgen der umstrittenen Schönheitsstandards sind einerseits massive psychische Unzufriedenheit und geringes Selbstwertgefühl, zum anderen die Zunahme medizinisch-chirurgischer Eingriffe sowie Diätverhalten und Essstörungen.

Magersucht häufigste Todesursache für Mädchen

Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge EatingDisorder) stellen kein Ernährungsproblem dar, sondern sind als Hilferuf der Seele zu verstehen, der über Essen oder Nicht-Essen ausgedrückt wird. Die gesundheitlichen Folgen dieses Verhaltens sind massiv: Ausbleiben der Regelblutung, Unfruchtbarkeit, Herzrhythmusstörungen, Osteoporose, chronische Nierenprobleme und Verletzung der Speiseröhre sind nur einige davon.

Magersucht hat außerdem langfristig die höchste Sterblichkeitsrate aller psychiatrischen Erkrankungen. Die jährliche Todesrate bei Anorexia nerviosa ist mehr als zwölf Mal höher als die jährliche Todesrate aller anderen Ursachen für Frauen zwischen 15 und 24 Jahren.

Wimmer-Puchinger wies auch darauf hin, dass die Folgeerkrankungen bei Essstörungen hohe Kosten für das Gesundheitswesen und für die Wirtschaft in Folge von Krankenständen und Arbeitsunfähigkeit bedeuten: Jährlich belaufen sich die stationären Behandlungskosten für alle behandelten Personen in den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes auf 5,22 Millionen Euro. Die Wiener Gebietskrankenkasse gibt pro Jahr 1,7 Millionen Euro für die psychotherapeutische Behandlung von KlientInnen mit Diagnose "Essstörung" aus.

Bandbreite der Normalität erweitern

Die plastische Chirurgie biete eine Vielzahl an Möglichkeiten, den eigenen Körper zu "korrigieren": Nasenverkleinerung, Facelifting, Brustvergrößerung, Fettabsaugung an allen erdenklichen Körperstellen ebenso wie Aufpolsterung derselben und nicht zuletzt Schamlippenkorrektur. "Der Trend zur Sexualisierung und Pornografisierung unserer Gesellschaft ist ein wesentlicher Einflussfaktor und hat die Hemmschwelle zu solchen Eingriffen gemindert", so Wimmer-Puchinger. Klar sei, dass diese Eingriffe nachgewiesenermaßen zu geringerer sexueller Sensibilität und somit zu Beeinträchtigung der weiblichern sexuellen Zufriedenheit führen. Aufklärung über die Bandbreite der Normalität des weiblichen Genitales sei dringend erforderlich.

Die Anzahl der Kundinnen, die sich zu einer Schönheits-OP entscheiden, in den letzten Jahren enorm gestiegen. In Österreich werden jährlich 40.000 Schönheitsoperationen vorgenommen, 85 bis 90 Prozent der Operierten sind Frauen. Schönheitsoperationskliniken haben sich so zu einem aufsteigenden internationalen Wirtschaftszweig entwickelt. Hier seien medizinische Qualitätssicherung, klare Indikationsstellung, psychologische Gespräche und ausreichende Aufklärung gefordert.

"Gesundes Frauenbild"

Ein gesundes Frauenbild zu propagieren sei daher ein wichtiges Frauenanliegen, da sich diese negativen und frauenverachtenden gesellschaftliche Tendenzen in individuellen Lebensbereichen niederschlagen und einem positiven weiblichen Selbstbild widersprechen, so Wimmer-Puchinger.

Das Wiener Programm für Frauengesundheit hat zum Beispiel die "Initiative S-O-Ess gegen ungesunde Schlankheitsideale" ins Leben gerufen, um ein "gesundes Frauenbild" zu verbreiten. Einen Ankerpunkt in der niederschwelligen Hilfestellung für Betroffene stellt zudem die anonyme und kostenlose Essstörungshotline dar, die zwischen Ende 1998 und Dezember 2006 15.000 psychotherapeutische Beratungen geleistet hat. (red)