Für Katharina Brizic sind Musik und Sprache "Gucklöcher ins Innerste".
Foto: Anna Stöcher

Die Sprachwissenschafterin Katharina Brizic ist ganz und gar ein "Ohrenmensch": Zuhören, Heraushören und Hinhören sind ihre Passionen", selbst wenn es sich um Sprachen handelt, die ich gar nicht verstehe". Als Linguistin ist die Wienerin und Migrantin der zweiten Generation eine Spätberufene, denn sie ließ sich zunächst im Konservatorium zur Konzertpianistin ausbilden. Für die Lektorin am Institut für Sprachwissenschaften der Uni Wien sind Musik und Sprache aber ohnehin ein "Guckloch ins Innerste", wo "alle Menschen einander ähneln". Während sie genussvoll das zweite Studium absolvierte, war sie als Pianistin tätig. Ihr Spezialgebiet "Sprache und Soziales" ergab sich aus den Erfahrungen bei Gastauftritten als Musikerin, die sie "Gesellschaften gleichsam durch die Hintertür betreten" ließ.

Auf einer Konferenz der Universität Wien präsentierte die Forscherin ihr aktuelles FWF-Projekt "Bildungserfolg bei Sprachtod?" (B.E.S.T.), das auf Migrantenfamilien und Sprachbiografien fokussiert. B.E.S.T. handelt von in die neue Heimat mitgebrachten oder aufgegebenen, gesprochenen oder verschwiegenen Sprachen und davon, was diese für die nächste Generation bedeuten. Zwischen Eltern und Kindern "ist Sprache ein wesentliches Medium, über das Beziehung aufgebaut und die Welt kennengelernt wird". Wenn also von politischer Seite gefordert wird, Migrantenfamilien sollen zu Hause Deutsch sprechen, ist den da Sprechenden "wohl kaum bewusst, welche Tragweite und Nebeneffekte dieser Wechsel hat", so Brizic. B.E.S.T. spürt dabei die Folgen für den Bildungserfolg der Kinder auf.

Das Herz der Linguistin schlägt für das Bildungswesen, weil dort viel Möglichkeit zur gesellschaftlichen Veränderung liegt. Es gibt eine Vielzahl an Forschungsbefunden, die dokumentieren, was für einen Schatz das Bildungswesen mit der Vielsprachigkeit in den Klassen birgt. Solange es aber eine Unterteilung in angesehene und weniger angesehene Unterrichtssprachen gibt, bleibt die Truhe allerdings verschlossen.

Ihr eigener Vater hat seine Sprache nicht weitergegeben, aber schon die zehnjährige Katharina lernte heimlich (Serbo-)Kroatisch nach. Inzwischen beherrscht sie mehrere Sprachen in unterschiedlicher Tiefe: Türkisch etwa noch "im Stadium der unfreiwilligen Komik". Am besten lernt sie Sprachen in Verbindung mit sinnlichen Genüssen: "Wenn ich dabei etwas Gutes esse, wird die neue Sprache geschmacksintensiv ins Gehirn absorbiert". Ein tiefes Interesse für Menschen und ihre Beziehungen untereinander sowie einen starken Hang zur Selbstironie hält sie in ihrem Fach für unerlässlich, "weil man sonst Gefahr läuft, bei der Untersuchung und Kritik des gesellschaftlichen Umfelds eigene kritikwürdige Eigenschaften völlig aus den Augen zu verlieren".

Das Suchen und Abbilden der Realität, "als wäre es archäologische Arbeit, die mit feinen Pinseln zerbrechliche Formen aus der Erde herausmodelliert" fasziniert sie; ebenso das Formulieren von kniffligen Fragen und das anschließende Verbinden von Punkten, die plötzlich ein Muster ergeben.

Ihr Ehemann ist Musiker, Schriftsteller sowie Musikkomiker und hat drei Kinder aus erster Ehe mitgebracht, was die Projektleiterin davor bewahrt hat, "eine kopflastige Theoretikerin" zu werden. Die Freizeit ist knapp bemessen und wird umso intensiver neben dem "Netzwerk SprachenRechte" für Treffen mit der riesigen Familie genutzt. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.3.2008)