Wien - Von insgesamt 17 Indikatoren, die im Rahmen des EU-Innovationsanzeigers alljährlich in den Mitgliedstaaten erhoben werden, gibt es im Ergebnis Österreichs einen einzigen mit negativem Trend: beim "Lebenslangen Lernen" droht Österreich - bei diesem Wert ohnehin schon unter dem EU-Schnitt - noch weiter zurückzufallen. Die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel wundert dieses Ergebnis nicht: Die bisherigen Ansätze und Versuche, Lebenslanges Lernen zu fördern, seien in ihrer Wirksamkeit kurzfristig und peripher geblieben, weil sie meist ein grundsätzlich Problem aufwiesen. "Es waren singuläre und isolierte Maßnahmen", so Spiel im Gespräch.

"Die Förderung von Lebenslangem Lernen ist aber ein sehr vielschichtiges und komplexes Unterfangen, das sich nicht einfach durch die Veranstaltung von Projektwochen oder ähnlichen Initiativen abhaken lässt", betonte Spiel. Voraussetzung für erfolgreiches Lebenslanges Lernen seien Motivation, Interesse und Wertschätzung für Bildung und Lernen sowie die Kompetenz, diese Bildungsmotivation auch erfolgreich umsetzen zu können.

Basis für Bildungsmotivation und Lernkompetenz

Damit müsse aber möglichst früh begonnen werden. "Jeder glaubt, Lebenslanges Lernen ist nur etwas für Erwachsene", so Spiel. Doch Schülerbefragungen würden zeigen, dass bereits im Verlauf der Schulzeit die Lust am Lernen abnehme. Deshalb müsse man möglichst früh, bereits in der Volksschule, die Basis für Bildungsmotivation und Lernkompetenz legen. "Je früher und systematischer begonnen wird, selbstständige kompetente Lerner auszubilden, desto Erfolg versprechender wird das Gesamtanliegen 'Lebenslanges Lernen' sein", sagte Spiel.

Doch in den Schulen ortet die Bildungspsychologin in diesem Zusammenhang Defizite: So werde den Schülern vielfach nicht vermittelt, wofür sie das erlernte Wissen später brauchen können, "das Ziel muss schmackhaft gemacht werden". Außerdem werde den Schülern vor allem Faktenwissen in Geschichte, Geographie oder Mathematik eingetrichtert, aber nicht die nötige Kompetenz, um selbstständige Lernhandlungen setzen zu können, etwa die verschiedenen Lerntechniken und -strategien.

Techniken und Strategien automatisieren

Diese Probleme würden zwar immer wieder erkannt, aber oft mit nur kurzfristigen Maßnahmen angegangen. Man könne das System nicht mit einem einwöchigen Weiterbildungsseminar für Lehrer ändern. Beim Erlernen einer Sportart sei es ganz selbstverständlich, dass es lange dauert und man ständig üben muss, bis man es gut kann. Gleiches gelte auch fürs Lernen. "Wenn man Lerntechniken und -strategien automatisiert hat, kann ich auch als Erwachsener wesentlich leichter Lernhandlungen beginnen", so Spiel. Außerdem empfinde jemand, der weiß, dass er lernen kann, einen Jobwechsel oder neue Anforderungen nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung.

Lebenslanges Lernen dürfte aber nicht in ein Fach abgeschoben werden. "Wie ich mich zum Lernen motivieren kann und wie dann diese Motivation und das Können aufrecht erhalten werden, das müsste ein allgemeines Unterrichtsprinzip werden", fordert Christiane Spiel. Auch in der Lehrerausbildung müsste man das Lebenslange Lernen berücksichtigen. Denn derzeit seien weder die Studienpläne an den Unis noch an den Pädagogischen Akademien darauf ausgerichtet.

Genereller politischer Wille nötig

Spiel räumt ein, dass dies ein langfristiger Prozess ist, "aber deswegen kann man sich davor nicht drücken". Nötig sei ein genereller politischer Wille, nur Einzelaktionen könnten nicht greifen. "Ein umfassender und nachhaltiger Erfolg kann nur dann erzielt werden, wenn Lebenslanges Lernen zum handlungsleitenden bildungspolitischen Programm wird", so Spiel. Außerdem müsse bei jeder Maßnahme, die gesetzt wird, auch deren Erfolg überprüft werden.

An ihrem Arbeitsbereich (Bildungspsychologie und Evaluation) am Institut für Psychologie der Uni Wien entwickelt und erprobt Spiel verschiedene Projekte zur Förderung von Bildungsmotivation und Lebenslangem Lernen. So wurde eine Pflichtlehrveranstaltung auf "e-lecturing" umgestellt. Ziel dieses auf zwei Jahre angelegten Pilotprojekts ist es, das selbst gesteuerte Lernen, das Voraussetzung für Lebenslanges Lernen ist, zu verbessern.

Dabei werden Frontaleinheiten mit Phasen selbst gesteuerten Lernens gemischt. Von den Studierenden erfordere diese andere Lernkultur eine massive Umstellung. "Denn herkömmliche Hauptvorlesungen gerade in Massenfächern wie der Psychologie fördern massiv das Konsumentenverhalten", so Spiel. Man sitze im Hörsaal, lasse sich berieseln und lerne für die Prüfung Faktenwissen, ohne darauf zu schauen, ob man das wirklich könne und verstehe. In dem Projekt soll dagegen auch Handlungswissen erworben werden. (APA)