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Mounir el Motassedeq bei seiner Verhandlung in Hamburg

Graphik: Reuters/Boer

Hamburg - Im Hamburger Prozess um die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington hat die Bundesanwaltschaft am Mittwoch die Höchststrafe von 15 Jahren Haft für Mounir El Motassadeq gefordert. Der 28-jährige Angeklagte habe sich als Mitglied der Hamburger Terrorzelle der Beihilfe zum Mord in 3.045 Fällen schuldig gemacht, sagte Bundesanwalt Walter Hemberger vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Zudem legte die Anklage Motassadeq versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung in fünf Fällen sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last. Für die Ankläger ist erwiesen, dass die Unschuldsbeteuerung des Angeklagten "nicht der Wahrheit entspricht". Es handelt sich um den weltweit ersten Prozess gegen einen mutmaßlichen Komplizen der Todespiloten.

In ihrem fast fünfstündigen Plädoyer erläuterten die drei Vertreter der Karlsruher Anklagebehörde, warum ihrer Ansicht nach Motassadeq "Gründungsmitglied" der selbstständigen Hamburger Zelle um den Todespiloten Mohammed Atta war. Dieser hatte ein Flugzeug in das World Trade Center in New York gesteuert. Der Marokkaner habe sich "absprachegemäß als Statthalter der Vereinigung" betätigt. Die Ankläger zeigten sich auch überzeugt, dass Motasssadeq "wenigstens in den wesentlichen Grundzügen" die Pläne für die Anschläge vom 11. September 2001 kannte. Der 28-Jährige hatte die Vorwürfe in dem seit Oktober andauernden Prozess stets bestritten.

Kontobetreuung

Motassadeq sei "zielgerichtet und dauerhaft von der Gruppe für die Kontobetreuung eingesetzt gewesen", sagte Bundesanwalt Kai Lohse. So habe er mit einer Generalvollmacht unter anderem 5.000 Mark (2.550 Euro) für den späteren Todespiloten Marwan Alshehhi überwiesen und dessen EC-Karte für Barabhebungen benutzt. Bereits seine Kontovollmacht bestätige "eindeutig die Einbindung in die terroristische Vereinigung". Zudem habe der Angeklagte für die abwesenden Freunde zahlreiche weitere Formalitäten erledigt.

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft teilte Motassadeq auch das radikal-islamistische, "wahnhafte" Weltbild der Attentäter. Auch der Angeklagte habe das "Weltjudentum und Amerika als Feindbild Nummer eins" angesehen. Mit seiner Aussage vor Gericht habe er lediglich versucht, "auf plumpe Weise darüber hinweg zu täuschen, welchen Geistes Kind er wirklich ist".

Die Reise Motassadeqs in ein militärisches Ausbildungslager nach Afghanistan wertete die Bundesanwaltschaft als weiteren Beleg dafür, dass der Angeklagte die terroristischen Absichten der Attentäter unterstützen wollte. So habe er dort mit Zaccarias Essabar ein weiteres Mitglied der Terrorzelle getroffen, um dieses über den Stand der Anschlagsvorbereitungen zu informieren. Die Bundesanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, er habe vor Gericht nur versucht, die Wahrheit über seine Rolle bei den Anschlägen möglichst gut zu verschleiern. Motassadeq sei nicht der friedliche Moslem, als der er sich gebe.

Hemberger rief Motassadeq auf, diese Haltung noch einmal zu überdenken: "Herr Motassadeq, Sie haben noch die Chance, durch ein umfassendes Geständnis die Bilanz deutlich zu ihren Gunsten zu verbessern", sagte er. "Nutzen Sie diese Chance." Am Nachmittag will die Nebenklage ihre Plädoyers halten.

Am Dienstag hatte der Richter für den Fall eines Schuldspruchs angedeutet, möglicherweise ergehe nur ein Urteil wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Für Mitgliedschaft beträgt die Höchststrafe zehn Jahre Haft, für Unterstützung bis zu fünf Jahre. (APA/dpa)