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Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland steigt weiter. Mit einer Besserung der Situation am Arbeitsmarkt ist nach Meinung von Experten vor dem zweiten Halbjahr nicht zu rechnen.

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Berlin - Es kam viel schlimmer als erwartet: Selbst Arbeitsmarkt_experten waren vom Ausmaß des Anstiegs der Arbeitslosenzahlen im Jänner überrascht: Binnen eines Monats waren 398.000 Menschen mehr als erwerbslos gemeldet, wodurch sich die Arbeitslosenzahl auf 4,623 Millionen erhöhte. Dies entspricht einer Quote von bundesweit 11,1 Prozent, wobei der Wert in Ostdeutschland mit 19,5 Prozent weitaus höher als jener in der alten Bundesrepublik mit 8,8 Prozent ist. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl um 333.200.

Deutliche Verschlechterung

Der Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, sprach von einer deutlichen Verschlechterung der Lage. "Im Februar werden wir in ähnlicher Weise noch einmal schlechte Nachrichten präsentieren müssen", meinte er am Mittwoch bei der Vorstellung der Jänner-Zahlen.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sagte, an den Problemen in Deutschland könne niemand mehr vorbeisehen. "Die Zahlen zeigen, dass sich die konjunkturellen Schwierigkeiten und die gravierenden Strukturprobleme in Deutschland weiterhin auf den Arbeitsmarkt auswirken." Strukturreformen müssten intensiviert werden.

"Nationaler Kraftakt"

Die Oppositionsführerin, CDU-Chefin Angela Merkel, nahm den Ball auf und sicherte Unterstützung der Union zu. "Deutschland braucht einen nationalen Kraftakt." Wenn die rot-grüne Koalition mit Vorschlägen auf die Union zukomme, "dann werden wir uns diesen Aufforderungen nicht verweigern", so Merkel. Dabei dürfe es weder bei der Eigenbeteiligung im Gesundheitswesen, den Lohnnebenkosten noch bei Fragen der Zukunft der Rentenversicherung Tabus geben.

Verschärftes Tempo

Die Regierung kündigte eine Erhöhung des Reformtempos an. Die Expertenkommission unter der Leitung von Bert Rürup soll ihre Vorschläge zur Reform der sozialen Sicherungssysteme nicht erst im Herbst, sondern schon im April vorlegen. Im April will Ministerin Ulla Schmidt auch ihre Pläne für eine Gesundheitsreform präsentieren. Die Bundesregierung ist aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nach den CDU-Erfolgen bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag bei fast allen ihren Reformprojekten auf die Unterstützung der Union angewiesen.

Minister Clement strebt im Einvernehmen mit der Union eine Änderung des Arbeitsrechts, insbesondere eine Lockerung des Kündigungsschutzes und eine Einschränkung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte, an. Bereits ausgeweitet wurden die Möglichkeit zur Annahme so genannter Minijobs und die Förderung von Arbeitslosen, die sich als Selbstständige etablieren wollen. Hoffnungen auf eine rasche Wirkung auf den Arbeitsmarkt machte aber Behördenchef Gerster zunichte: "Es dauert viele Monate, bis diese Maßnahmen den Arbeitsmarkt erreichen." Der Chef des Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, forderte die Regierung zu höherer Neuverschuldung auf. "Sonst geht die Zahl der Arbeitslosen bald gegen fünf Millionen." (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe 6.2.2003)